Bildungsstreik … und es geht weiter

Am 17. November ist es wieder soweit: Der bundesweite Bildungsstreik findet statt und verschiedene lokale und bundesweite Zusammenschlüsse rufen zum Streiken, Demonstrieren und Besetzen auf.
In Erinnerung dürfte in jüngster Vergangenheit der Streik im November 2009 geblieben sein, der – beginnend mit dem Startschuss aus Wien – in eine Welle von Hochschulbesetzungen mündete. Über die Grenzen hinweg wurden in Ländern Unis, aber auch vereinzelt Schulen, besetzt um der Kritik am herrschenden Bildungssystem Ausdruck zu geben und sich den Raum zumindest für eine Zeit lang anzueignen, um zusammen mit vielen anderen MitstreiterInnen den Austausch zu ermöglichen, den der Alltag in den Lernfabriken nicht zulässt. Der Ausdruck der einzelnen Besetzungen war hierbei unterschiedlich: vom braven StudentInnenprotest, dessen ProtagonistInnen ihren eigenen elitären Anspruch flöten gehen sehen, weil der Standort Deutschland mit einem zu selektiven Bildungssystem nicht mehr konkurrenzfähig im internationalen Business sei, bis hin zu radikaleren Auswüchsen, die das Bildungssystem als eine Facette des Gesamtproblems „Kapitalismus“ begreifen und dessen Abschaffung für notwendig halten. Und da es zwischen „Schwarz“ und „Weiß“ noch einige Graustufen gibt, dürfte auch in jeder einzelnen Hochschule viel Stoff für Diskussionen geboten gewesen sein.

Was übrig blieb…

Einigen haben eben diese Diskussionen Denkanstöße und Netzwerke geboten, die sie aktiv werden ließen und so verschwand der Protest nur scheinbar von der Bildfläche, während im Hintergrund fleißig weiter gearbeitet wurde. In Erlangen gründete sich LUKS (linke und kritische StudentInnen) und an der Ohm-Hochschule in Nürnberg die ListA (linke studentische Aktion). ListA organisierte im letzten Jahr zum Beispiel Protest gegen den Besuch von Minister Heubisch, mobilisierte zu einer Demo gegen Studiengebühren, veranstaltete ein Anti-Gebühren-Picknick vor dem Büro des Hochschulpräsidenten und setzte sich für die StudentInnen ein, als diese für technische Probleme bei den Online-Einschreibungen büßen sollten.
Und eben das ist es, was Protest zu organisierten Widerstand werden lässt: Bewegungen kommen und gehen, sie wachsen und ebben wieder ab. Wichtig ist es, Strukturen zu schaffen, die unabhängig von ihnen bestehen, diese aber zu nutzen wissen. Und sie sind im Stande direkt an der Basis mit Anderen zu handeln und sich für die eigenen Interessen stark zu machen. Diese Form der Basisarbeit findet allerdings noch viel zu wenig statt. Gerade an den Schulen finden sich lediglich ein paar Arbeitskreise, die sich mit der Situation an der eigenen Schule auseinandersetzen. Dieses Problem lässt sich mit der Durchführungen weiterer Großdemos nicht einfach auflösen. Die SchülerInnen müssen ermutigt werden sich zusammenzuschließen. Kämpfe dürfen hierbei nicht vereinzelt geführt werden, sondern sie müssen verschmelzen, voneinander lernen und sich gegenseitig stärken. Nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch über Landesgrenzen hinweg.

Bildungsproteste international

In Chile und in Kolumbien zum Beispiel kämpfen die Lernenden und Lehrenden vor allem gegen die Privatisierung der Bildungseinrichtungen. In Kolumbien begannen die Proteste im September dieses Jahres. Im Speziellen geht es um die Reform eines Hochschulgesetzes, das das Aus für die noch wenigen Universitäten öffentlichen und staatlichen Charakters bedeuten würde und hin zu einer Monopolisierung der Bildung im privaten und nichtstaatlichen Bereich führt. ?Bei diesem neuen Gesetz wird der Staat aus der Verantwortung genommen und den privaten Sektoren und der Wirtschaft die Tür geöffnet. Diese sollen zukünftig selbst in die Ausbildung ihrer zukünftigen Angestellten investieren, was sie natürlich auch bereitwillig übernehmen. Nicht nur, weil sie durch Gebührenerhebung direkt Profit rausschlagen können, sondern auch weil sie den Lehrplan besser und konkreter auf die Erfordernisse des jeweiligen Betriebes oder Sektors abstimmen können. Ebenso wie hier in Deutschland und jedem anderen kapitalistischen Wirtschaftsstandort sieht die Wirtschaft ihre zukünftigen Angestellten gerne so herangezogen: in kürzerer Zeit, fachspezifisch und somit kosteneffizient. Die Bewegung in Kolumbien hat zu Teilen erkannt, dass es sich hierbei um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, und mobilisiert dementsprechend. Die Gewerkschaften und soziale Bewegungen, darunter auch die aufständischen Organisationen wie FARC-EP und deren politische Organisationen, solidarisierten sich bereits mit den Studierenden und SchülerInnen, ebenso wie den Verbänden der Lehrer und Hochschullehrer.

Es geht uns alle an!

Auch in Deutschland gab es erste Versuche vorhandene Bewegungen zu vereinen. So schloss sich 2009 das Krisenbündnis und das Bildungsstreikbündnis Berlin zur Mobilisierung zusammen und 2003 streikten allein in Nürnberg 10.000 SchülerInnen um gegen den Irakkrieg zu demonstrieren. Doch der Schulterschluss vor allem mit den Berufstätigen und Erwerbslosen fehlt weitgehend und nicht einmal Eltern, LehrerInnen und DozentInnen solidarisieren sich hierzulande sichtbar und in nennenswerter Zahl mit den Protesten. Vor allem letztere strafen die Streikenden eher mit Verweisen oder anderen Schikanen und stellen sich somit aktiv gegen deren Anliegen nach einem anderen Bildungssystem. Doch es gibt auch Eltern oder andere, die zwar solidarisch sind, aber arbeiten müssen, auf kleinere Kinder aufpassen müssen, gefeuert werden wenn sie es wagen sollten zu streiken oder oder oder
All diejenigen müssen zumindest in Nürnberg nicht auf die Möglichkeit verzichten, gegen G8, Studiengebühren, Konkurrenz und Leistungsdruck auf die Straße zu gehen. Für sie gibt es nämlich extra eine Abenddemo.

Erschienen in barricada – November 2011