Asylgesetzgebung – Rassismus hat viele Gesichter
Im Juni 2015 soll ein neues Gesetz zur Regelung des deutschen Asylsystems und zum Umgang mit Asylsuchenden in Kraft treten. Ursprünglich sollte der am 3. Dezember 2014 von der Bundesregierung (CDU/CSU und SPD) verabschiedete „Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ ein Bleiberecht für Menschen, die trotz bereits jahrelangen Aufenthaltes in der BRD nicht über den Status „geduldet“ hinauskommen, generieren. Nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes wurde aber schnell klar, dass es keineswegs um die Verbesserung der Lebensverhältnisse Asylsuchender in Deutschland geht, sondern ganz im Gegenteil um eine gesetzliche Handhabe, die ohnehin schon in überaus prekären Verhältnissen lebenden Geflüchteten noch leichter abschieben bzw. in Abschiebehaft nehmen zu können.
So könnten mit diesem Gesetz sogar Menschen, denen schon ein Aufenthaltsrecht zugesprochen wurde, ausgewiesen werden, wenn deren „Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet???. Außerdem beinhaltet das Gesetz durch die Festlegung der Kriterien der Fluchtgefahr eine massive Ausweitung der bislang vom Bundesgerichtshof als unzulässig eingestuften Abschiebehaft. Beispielsweise böte das Gesetz eine Grundlage, Asylsuchende, die über ihre Identität hinwegtäuschen „insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten??? (§ 2 (2)) oder eine falsche Identität vorgeben, kurzerhand in Haft zu nehmen. Gleiches gälte für Menschen, die für ihre „unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt??? (§2 (4)) haben – festgelegt werden diese „erheblichen Geldbeträge??? auf 3 000 bis 20 000 Euro. Es wird postuliert, ein Flüchtling, der einen solchen Geldbetrag aufgewendet hat, besäße – je nach „Einkommen im Herkunftsland??? – ein gesteigertes Interesse daran, dies nicht umsonst getan zu haben; so bestünde eine besondere Motivation „sich seiner Rückführung zu entziehen???. Es reicht also das bloße Verdachtsmoment, ein Geflüchteter mit einem niedrigen Einkommen im Herkunftsland hätte mehrere Tausend Euro für seine Flucht aufgewendet, um ihn einzusperren. Auch im Falle, dass „der Ausländer […] ausdrücklich erklärt [hat], dass er sich der Abschiebung entziehen will??? (§2 (5)), solle nun laut Gesetzesvorschlag hart durchgegriffen werden. Hier wird versucht, etwaigen Versuchen der Geflüchteten zur Verhinderung ihrer Abschiebung vorzubeugen, was in vielen Fällen einem Politikverbot gleichkommt. Wie sich dies auf die Arbeit verschiedener Flüchtlingshilfe- und antirassistischer Gruppen auswirken wird, bleibt abzuwarten. Generell lässt sich feststellen, dass mit diesem Gesetz beabsichtigt ist, entscheidende Mittel für Flüchtlinge, nach Deutschland zu kommen und dort auch bleiben zu dürfen, kriminalisiert und unter Gefängnisstrafe gestellt werden.
Ferner soll für Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot auf bundesrepublikanischem Boden verhängt werden. Diese Verbote werden mit unterschiedlichen Zeitspannen unterschiedlich befristet und können an diverse Bedingungen (z. B. Straftats- und Drogenfreiheit) geknüpft werden. Verstöße gegen das Verbot, für dessen Festlegung das direkt dem Bundesinnenministerium und damit der Bundesregierung unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig ist, werden mit Abschiebehaft geahndet. Dies garantiert eine leichtere Inhaftierung von Asylbewerber_innen, die sich trotz der Ablehnung ihres Antrages noch immer in Deutschland aufhalten oder dort ein zweites Mal einzureisen gedenken.
Neu ist auch, dass nun „einem Ausländer […] zum Zweck der Anerkennung seiner im Ausland erworbenen Berufsqualifikation??? (§ 17a) eine zeitlich begrenzte Aufenthaltserlaubnis „für die Durchführung einer Bildungsmaßnahme und einer sich daran anschließenden Prüfung für die Dauer von bis zu 18 Monaten??? genehmigt werden könnte. Hier bekäme die seit langem von einem von Rechtsradikalen bis zur „bürgerlichen Mitte??? reichenden breiten Spektrum politischer Kräfte propagierte Aufteilung in „Verwertbare??? und „Wertlose???, in „Fachkräfte??? und „Sozialschmarotzer???, auch eine rechtliche Grundlage. Wer der deutschen Wirtschaft nutzen könnte, will heißen sich gezwungen sieht, sich und seine Fachkompetenzen für einen Hungerlohn an deutsche Konzerne zu verkaufen, ist erst mal willkommen. Wer allerdings nicht über jene Fachkompetenzen verfügt oder sich nicht restlos ausbeuten lassen will, dürfe doch bitte wieder in seine Heimat zurückkehren. Mit dieser argumentativen Linie schlägt die Bundesregierung in dieselbe Kerbe wie Pegida, AfD und andere neuaufkeimende Elemente rechter und nationalistischer Politik und versucht die ArbeiterInnenklasse mit Hilfe rassistischer Stereotype zu spalten.
Die hier angeführten Bestandteile der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sind nur Beispiele, welche die unmenschliche Härte und Grausamkeit derselben nur annähernd darlegen können. Gleichwohl wird bei der Betrachtung der genannten Beispiele klar, dass die Hauptfunktion des Gesetzes darin besteht, die Mauern der Festung Europa zu festigen und die wenigen verbliebenen Schlupflöcher zu stopfen. Die geplante Verschärfung des ohnehin schon menschenunwürdigen Asylrechts rief aber auch eine Protestwelle hervor, die ihren vorläufigen Höhepunkt in einer bundesweiten Aktionswoche vom 10. bis 18. April fand. Im Zuge dieser Woche fanden auch in Nürnberg Aktionen und Kundgebungen unter dem Motto „Asylrechtsverschärfung stoppen!??? statt. Am 18.04. etwa veranstaltete die Revolutionär Organisierte Jugend Aktion (ROJA) eine Kundgebung mit interessiertem Laufpublikum am Hallplatz, von wo aus mit Flüchtlingscamps und diversen anderen Aktionen immer wieder der Widerstand für ein gerechtes Leben und ein Bleiberecht für alle ausging. Im Rahmen von Flüchtlings- und anderen Protestkämpfen gegen die vorherrschende kapitalistische Verwertungslogik findet auch jedes Jahr die „Woche der internationalen Solidarität??? statt, die dieses Mal ganz im Zeichen der Gegen-G7-Proteste steht und mit einem inhaltsreichen Programm von Vorträgen, VoKü und Demonstration auf die bevorstehenden Aktionen im Rahmen des Gipfels vorbereiten soll.
Erschienen in barricada – Mai/Juni 2015