16. Linke Literaturmesse 11.-13 November 2011

Wenn in Nürnberg die Geschichte vom Generalstreik der Vagabunden auf den ehemaligen Botschafter der DDR in Kuba trifft, Antifas und AnarchistInnen Degenhardt kennenlernen und Linksparteifunktionäre auf Popkultur stoßen. Wenn Professoren über Kapitalismus referieren,  zeitgleich Riot-Girls in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden und dem rassitischen ArbeiterInnenfeind Sarrazin nebst anderen Gurus ein intellektueller Knock-out verpasst wird. Wenn Naxaliten auf Trotzki treffen, deutscher Eintopf neben Aufständen im arabischen Raum, England und Griechenland thematisiert werden, Autonome Gewerkschafterinnen und diese wiederum ehemaligen RAF-Mitgliedern die Klinke des Veranstaltungsraums in die Hand geben, ja dann weiß in Nürnberg mittlerweile JedeR was die Stunde geschlagen hat. Es ist wieder mal so weit,  die, mensch glaubt es kaum, 16. Linke Literaturmesse findet statt.
Wie in der Vergangenheit erwartet euch auch in diesem Jahr auf der garantiert längsten Büchertischmeile Nürnbergs ein unzensiertes Literaturangebot quer durch alle Fraktionen der Linken. Bücher, Zeitungen, Broschüren und Zeitschriften werden von VerlegerInnen, AutorInnen und Redaktionen präsentiert. Die Big-Player der radikalen Linken zeigen sich hier neben Kleinstverlagen mit Spartenprogramm. Redaktionen von Monatsmagazinen treffen auf TageszeitungsmacherInnen und beide finden sich in einer Reihe mit den Verantwortlichen von kleinen unregelmäßig erscheinenden Zeitschriften. Ja es ist schon ein breites politisches Spektrum, das sich in diesem Jahr nun zum 16. mal auf Einladung des Kultur- und Literaturvereins Libresso und des Metroproletan Archiv und Bibliothek im Nürnberger Künstlerhaus einfindet und in dieser in der BRD wohl einmaligen inhaltlichen Vielfalt der Öffentlichkeit stellt. Ja, zwischen den Messeständen der Literaturmesse sind Auseinandersetzung, gegenseitiges Lob und Kritik erwünscht und vielleicht trifft ja auch der eine oder andere Vorschlag auf offene Ohren.
Im Begleitprogram der Literaturmesse finden, wir haben das einleitend ja bereits angedeutet, wie immer  Buchvorstellungen, Lesungen und Debatten statt. In über 50 dieser Veranstaltungen präsentieren AutorInnen, Verlage und Redaktionen in diesem Jahr ihren Output. Mit der Zusammenstellung des Begleitprogramms haben die Veranstaltenden von Metroproletan und Libresso eimal mehr ganze Arbeit geleistet, die Realität  begegnet der Utopie, Theorie findet sich hier neben Kultur, Geschichtaufarbeitung neben Aufklärung, Daten treffen Fakten, Internationales wird neben feministischen Inhalten vorgestellt, Geschichtliches stößt auf die Gegenwart und und und …
Genug Gründe gibt es also, sich auf die Linke Literaturmesse zu bewegen und sich mit aktuellen, aber auch antiquarischen Themen eben nicht nur in Form von Büchern, sondern auch Veranstaltungen und Geprächen zu konfrontieren. Die Linke Literaturmesse ist ein gesellschaftliches Ereignis, das alle, die sich für eine kritische Analyse der Verhältnisse interessieren genausowenig verpassen sollten, wie AktivistInnen, die Handbücher für allerlei praktische Tätigkeiten suchen und Leute, die einfach nur mal wissen wollen, was denn „linke Literatur“ eigentlich sein soll.

im Kuenstlerhaus Nuernberg – Koenigstrasse 93 Öffnungszeiten: Freitag 19-22 Uhr • Samstag 10-22 Uhr • Sonntag 10-15 Uhr

Veranstaltungstipps der Redaktion

Was hier geboten wird ist eine kleine subjektive Auswahl an interessanten Veranstaltungen die im Rahmen der 16. Linken Literaturmesse über die Bühne gehen. Das gesamte Programm findet ihr als Printausgabe in den üblichen verdächtigen Einrichtungen und Kneipen oder online unter www.linke-literaturmesse.org.

Sa. 12.00 Uhr, Seminarraum
„..wird mit Brachialgewalt durchgefochten“ – Bewaffnete Konflikte mit Todesfolge vor Gericht – Berlin 1929 bis 1932/33

Ab 1929 versuchte die NSDAP verstärkt in die traditionell roten Viertel Berlins einzubrechen und eigene Strukturen zu errichten. Dabei setzte die SA Gewalt strategisch als Mittel ein. Das kommunistische und sozialistische Milieu war auf diese Kombination von Durchdringung und Brutalität nicht vorbereitet. Es reagierte reflexhaft – auch dies bisweilen mit Todesfolge. Veranstaltung mit dem Autor Johannes Fülberth

Sa. 13.00 Uhr, Weißer Saal
Das Kapital kompakt
Die kritische Einführung in der Reihe „Basiswissen“ fragt u.a., in welchem Verhältnis die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise und die Untersuchung der Möglichkeiten ihrer Aufhebung in der Marxschen »Kritik der Politischen Ökonomie« zueinander stehen und stellt die Erkenntnisse der »Neuen Marx-Lektüre« und der »Monetären Werttheorie« vom Kopf auf die Füße. Veranstaltung mit dem Autor Georg Fülberth

Sa. 14.00 Uhr, KOMM-Kino
Xabier Makazaga: Demokratie und Folter – Das Beispiel Spanien

Der baskische Autor belegt detailliert, dass auch in den bürgerlichen Demokratien des Westens Folter und Misshandlungen durch die „Sicherheitskräfte“ veranlasst, geduldet und häufig routinemäßig angewendet werden, um politische Gegner einzuschüchtern und zu zermürben. Das Buch enthält aktuelle Fallzahlen und zahlreiche Berichte von Folteropfern in Spanien. Es beschreibt zudem die Morde der staatlich organisierten Todesschwadron »GAL«. Vorgestellt von Klaus Viehmann


Sa. 15.00 Uhr, Weißer Saal
Einspruch – Antifaschistische Positionen zur Geschichtspolitik

Die aus dem Kalten Krieg stammenden Thesen wie »rot gleich braun«, »Sozialismus gleich Faschismus gleich Diktatur« werden mehr und mehr salonfähig. Mit politischem Kalkül propagiert, zielt diese Deutung der Geschichte auf die Gegenwart. Einspruch gegen solchen Geschichtsrevisionismus erhob eine geschichtspolitische Konferenz der VVN-BdA. Dabei ging es um das Verhältnis von Ursachen und Wirkungen des Zweiten Weltkriegs, Wehrmachtsverbrechen und ihre Opfer, uvm. Eine Veranstaltung mit der Autorin und VVN-Vorsitzenden Cornelia Kerth

Sa. 15.00 Uhr, Glasbau
Gurus – Zwischen Sex, Gewalt und Erleuchtung

Angeblich haben die weltweit anerkannten „Heiligen und Weisen“ in ihren Gedanken und Handlungen immer nur das Beste für jedermann im Sinne. Die „Erleuchteten“ kennen keinen Eigennutz, die sexuelle oder finanzielle Ausbeutung ihrer AnhängerInnen liegt ihnen fern und all die Mirakel und Wunderheilungen hat es tatsächlich gegeben. Oder? Geoffrey Falk kennt die Szene aus eigener Anschauung und nimmt uns mit auf einen Ausflug in den Kosmos der selbsternannten Welterretter. Vorgestellt von dem Übersetzer Colin Goldner


Sa. 17.00 Uhr, Weißer Saal
Antifa – Geschichte und Organisierung

Antifaschismus ist eines der zentralen Aktionsfelder der radikalen Linken in Deutschland: In fast jeder Klein- und Großstadt existieren Antifa-Gruppen, viele Jugendliche finden über die Jugendantifa zu linksradikaler Politik und immer wieder machen militante Aktionen gegen Nazis und ihre Aufmärsche von sich reden. Doch was zeichnet diesen autonomen Antifaschismus aus? Wo liegen seine historischen Wurzeln und theoretischen Bezugspunkte? Vorgestellt durch die AutorInnen

Sa., 18:00 Uhr, Glasbau
Riot Grrrl Revisited – Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung

Mit ihrem vor 20 Jahren veröffentlichten Manifest brachten Riot Grrrls die Verhältnisse mit der Forderung nach einer Revolution Girl Style Now zum brodeln. Die Herausgeber_innen schreiben die Geschichte des revolutionären Kulturkampfes auf und zeigen, was von der radikalen Bewegung geblieben ist. Mit Interviews und Essays zu Themen wie Ladyfesten, Riot Grrrl in Deutschland, Queercore und Riot Grrrls im Film. Vorgestellt von Hans Plesch

Sa., 19:00 Uhr, Komm Kino
Louise Aston: Revolution und Contrerevolution

In ihrem Roman dokumentiert Louise Aston die revolutionären Umbrüche von 1848 und entwickelt mit dem Porträt ihrer Protagonistin Alice von Rosen die Utopie vom selbstbestimmten Leben einer Frau, die bürgerliche, demokratische Rechte einfordert. Mit Jenny Warneckes Neuedition des Romans wird es möglich, Astons sozialkritische Analysen, Stilmittel und Utopien sichtbar zu machen. Damit wird das Werk seit Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vorgestellt von Jenny Warnecke.

Sa. 20.00 Uhr, Seminarraum
Aufstände – England im Ausnahmezustand

Der Ausnahmezustand in England im Sommer 2011 hat Fragen gestellt, auf die bisher wenig überzeugende Antworten gefunden wurden. Die Versuche der Regierung, die Riots als „Kriminalität“ zu depolitisieren, wirken verzweifelt und bieten keine überzeugenden Erklärungen für die schwersten sozialen Unruhen seit mindestens 20 Jahren. Das Buch interveniert in diese Debatte und arbeitet den politischen Charakter der Geschehnisse heraus. Veranstaltung mit dem Autor Moritz Altenried

Sa. 21.00 Uhr, Weißer Saal
Die arabische Revolution?

Soziale Elemente und Jugendprotest in den nordafrikanischen Revolten
Anfang 2011 hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass die seit Jahrzehnten bestehenden Regimes in der arabischen Welt so schnell ins Wanken geraten könnten. Doch was wollen die Protestierenden? Wie verhält es sich mit den Kräfteverhältnissen in Bewegung und Gesellschaft und wie sind die Geschehnisse aus emanzipatorischer Sicht zu bewerten? Diese Fragen diskutiert Bernhard Schmid und nimmt dabei sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede in den verschiedenen arabischen Ländern in den Blick. Ferner wird auch das Verhältnis des Westens zu „seinen“ arabischen Diktatoren beleuchtet. Veranstaltung mit dem Autor Bernhard Schmid.

So., 13.00 Uhr, Komm – Kino
Die Todesnacht von Stammheim

Eine Untersuchung – Indizienprozess gegen die staatsoffizielle Darstellung und das Todesermittlungsverfahren.
Der IT-Spezialist und Betriebsrat Helge Lehmann hat eine akribische Untersuchung zu der Todesnacht in Stammheim angestellt. Er orientiert sich ausschließlich an den Fakten. Die aber wiederlegen in der Gesamtschau eben die offizielle Version an entscheidenden Punkten. Er kann daher formulieren, dass es so wie offiziell behauptet, nicht gewesen sein kann. Buchvorstellung mit dem Verleger

So., 14.00 Uhr, Weißer Saal
Afghanistan – So werden die neuen Kriege gemacht

Deutschland und der Krieg am Hindukusch. Das Buch zeigt, mit welchen Mechanismen im Zusammenspiel von Politik und Medien die These von der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit des Afghanistan-Krieges in der Öffentlichkeit verbreitet wird. Buchvorstellung mit der Autorin Sabine Kebir

Erschienen in barricada – November 2011