13. Linke Literaturmesse
Vom 14. bis 16. November hat das politisch interessierte Publikum in Nürnberg erneut die Gelegenheit, ausgiebig seiner Leseleidenschaft nachzugehen. Die 13. Linke Literaturmesse öffnet für 18 Stunden ihre Türen. Über 40 linke, unabhängige Verlage und Zeitschriften, die bisher erfolgreich dem kapitalistischen Mainstream trotzen, präsentieren sich mit ihrem Programm, mit bewährtem und natürlich jeder Menge Neuerscheinungen. Man kann stöbern, mit VerlegerInnen und AutorInnen sprechen und jede Menge Geld gut in politische Bücher, CDs und DVDs anlegen. In Krisenzeiten eine durchaus annehmbare Alternative zu Gold, wie wir meinen.
Das vielfältige Verlagsrepertoire wird durch über 30 Buchvorstellungen, Lesungen und Diskussionen, die parallel zur Messe angeboten werden, ergänzt. Ein breit gefächertes Programm macht die Auswahl schwer, alles kann man nicht schaffen, also heisst es: Wohin gehen, welche Veranstaltung muss unbedingt sein? Die Redaktion kann sich auch nicht einigen, deshalb stellen wir nun eine subjektive Auswahl vor. Klar ist dagegen, dass wir alle zur Party am Samstag abend ins Metroproletan gehen, immerhin eine Einigung.
Das komplette Programm findet ihr im Internet unter www.linke-literaturmesse.org und als Printausgabe liegt es in diversen Kneipen, Läden und Zentren. Entscheidet selbst, welche Veranstaltungen eure Highlights sind…
Bereits am Freitag ein hochkarätiger Auftakt: Rechtzeitig zum im nächsten Jahr zu feiernden 50. Jahrestag der kubanischen Revolution stellt der Botschafter der Republik Kuba S. E. Herr Gerardo Peñalver um 19.30 Uhr im Weißen Saal das Buch „Fidel Castro. Mein Leben“ von Ignacio Ramonet vor.
Zum Buch: Einen echten Einblick in sein Leben hat Fidel Castro lange Zeit verwehrt. An seinem Lebensabend hat er nun seine eigene, persönliche Geschichte erzählt. Das Buch ist sowohl die Autobiografie und das politische Testament des „Commandante en Jefe“, als auch ein spannender und aufwühlender Beitrag zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Revolution. Eine Veranstaltung der linken Tageszeitung „junge Welt“ in Zusammenarbeit mit dem Rotbuch-Verlag
Am Samstag wird es dann schwierig, eine Auswahl zu treffen. Traditionell finden an diesem Tag, mit 10 Stunden Öffnungszeit der längste Messetag, die meisten Veranstaltungen statt und man gibt irgendwann auf, treibt sich im Ausstellungsbereich rum, hört den Interviews von Radio Z im Literatur-Café im Festsaal zu oder begibt sich ins Lit.-.Messe-Café im Erdgeschoss, um bei einem Sandwich und einem Kaffee zu entspannen. Trotzdem eine subjektive Auswahl aus dem Programm:
Bereits um 12.00 Uhr stellt Christian Frings im Seminarraum das Buch „Die vielköpfige Hydra – Die verborgene Geschichte des revolutionären Atlantiks“
Zum Buch: In ihrem im Jahr 2000 in den USA erschienenen Buch „The Many-Headed Hydra“ beleuchten die amerikanischen Historiker Peter Linebaugh und Marcus Rediker die Ursprünge und den atemberaubenden Aufstieg des frühen globalen Kapitalismus im Gebiet des „englischsprechenden Atlantiks“ vom Ende des 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, ohne den die Welt, wie sie heute ist, nicht gedacht werden kann. Erschienen bei Assoziation A
Direkt im Anschluss dann um 13.00 Uhr im Weißen Saal „Die neuen Streiks – Geschichte. Gegenwart.Zukunft“ vom Unrast Verlag.
Zum Buch: Das Unwort ›Streik‹ ist selbst in konservativen Medien wieder sagbar geworden, die Methode hat Konjunktur. Die Art und Weise, die Motivation, die Ziele und die Akteure heutiger Streiks haben sich aber massiv verändert. Vielerorts erscheint Streik zwar als gute Idee, aber immer noch nicht durchführbar. Die AutorInnen lassen die Geschichte des Streiks Revue passieren, der Schwerpunkt liegt dabei aber auf dem aktuellen Streikgeschehen.
Um 14.00 Uhr ist es dann schwierig, sich zu entscheiden. 5 Veranstaltungen zeitgleich: Max Henninger Balestrini Übersetzer und Italien-Experte stellt die Romantriologie „Die große Revolte“ im Weißen Saal vor. Gegenüber im Seminarraum kann man von Suitbert Cechura was über „Kognitve Hirnforschung – Mythos einer naturwissenschaftlichen Theorie menschlichen Verhaltens“ erfahren.
Zum Buch: Kognitive Hirnforschung begründet eine neue Ideologie. In dieser werden Ergebnisse aus der Naturwissenschaft dazu benutzt, die Ergebnisse der bürgerlichen Konkurrenz biologisch zu erklären und damit als naturgegeben zu behaupten.
Natürlich kann man sich auch im Komm-Kino die DVD „Reise zur Wiege Europas – Eine Odyssee in Windeln“ anschauen oder was über die Politik der RGO (Rote Gewerkschaftsopposition) erfahren oder den Textcollagen von Lothar Zieske in der Kulturwirtschaft lauschen. Das bleibt euch überlassen.
Zwischen 16.00 und 19.00 Uhr bleibt jedenfalls die Qual der Wahl. Deswegen nun eine Aneinanderreihung:
Um 15.00 Uhr bewegen sich einige in den Weißen Saal zu „Dagongmei – Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen“ erschienen bei Assoziation A.
Zum Buch: Mit Chinas rasanter Entwicklung vom maoistischen Armenhaus zum »Fließband der Welt« entstehen neue Arbeitersubjekte, darunter die Dagongmei, wörtlich: arbeitende Schwestern. Das Buch von Pun Ngai und Li Wanwei, lässt »hautnah« deutlich werden, auf welchen Schultern die Last des sagenhaften chinesischen Wirtschaftswachstums ruht und wer den eigentlichen Preis der Exportwaren zu bezahlen hat.
Die anderen lassen sich Auszüge aus dem Roman „Die andere Farm der Tiere“ vorlesen und wieder andere diskutieren mit einem Vertreter von attac und dem Autor Martin Regner über den „Entwurf einer menschlichen Wirtschaftsordnung“ im Glasbau.
16.00 Uhr schon wieder Weißer Saal, man kann sich langsam ein Stuhlabo mieten. Niels Seibert stellt die „Vergessene Proteste – Internationalismus und Antirassismus 1964-1983.“ vor.
Über Frauen in der Münchner Räterepublik berichtet Christiane Sternsdorf-Hauck im Komm-Kino. Wissenschaftlich geht es im Seminarraum mit Christoph Lammers weiter, „Die unerschöpfte Theorie – Evolution und Kreationismus in Wissenschaft und Gesellschaft“ steht auf dem Programm. Dagegen bleibt es in der Kulturwirtschaft literarisch mit Erasmus Schöfers „Kinder des Sisyfos“, dem vierten Band seiner Tetralogie.
Um 17.00 Uhr gehen wir ins Kino „Brigadistas“ anschauen.
Zum Film: Ein Dokumentarfilm von Daniel Burkholz. 70 Jahre nach Beginn des Spanischen Bürgerkrieges kehren die letzten noch lebenden Mitglieder der Internationalen Brigaden, der Jüngste 86, der Älteste 99 Jahre alt, die gegen Franco-Faschismus und Nazis gekämpft haben, nach Spanien zurück. Dieser Film erzählt die Geschichte dieser Menschen. Er handelt von Idealismus und Begeisterung und schlägt erfolgreich die Brücken vom „Damals“ zum „Heute“.
Aber natürlich hätten wir auch gerne was von Matthias Seiffert über „Die großen Streiks“ erfahren.
Langsam aber sicher lässt die Konzentration nach. Jetzt zu „FAU. Die ersten 30 Jahre“ oder zu „Zubiak – die baskische Bibliothek“ mit Gästen aus Euskadi, die uns baskische Literatur näher bringen wollen? Wir werden sehen. Um 20.00 Uhr sind wir jedenfalls wieder einmal im Weißen Saal zur Podiumsdiskussion „Die Finanzkrise, ihre Folgen und die Linke – was tun?“ mit Pedram Shahyar, Peter Decker und Arnold Bruns. danach ist nur noch tanzen angesagt, also ab ins Archiv Metroproletan zur Lit-Messen Party.
Sonntag, man gut, es geht verhältnismässig spät los…
12.00 Uhr, der zweite Teil der Abel Paz Biographie „Anarchist mit Don Quichottes Idealen“ oder lieber ins dunkle Komm-Kino zu „Geister, Gothics, Gabelbieger – 66 Antworten auf Fragwürdiges aus Esoterik und Okkultismus“
Zum Buch: Magie, Okkultismus und Esoterik sind heutzutage alltägliche Erscheinungen. Allerdings stellt sich bei genauerem Hinsehen häufig heraus, dass der Schein trügt. Fast immer lassen sich die scheinbar übersinnlichen Phänomene nachvollziehbar erklären – ohne dass der Boden der Tatsachen verlassen werden muss. Bernd Harders Buch zeigt in unterhaltsamer Form, worauf es ankommt, um das vermeintlich Unerklärliche zu durchschauen.
Um 13.00 Uhr sind wir wieder fit. Entweder gehen wir in die „Antiautoritäre Pädagogik – Zur Geschichte und Wiederaneignung eines verfemten Begriffs“ oder zu „Geopolitik“ von Tobias ten Brink
Zum Buch: Der Autor greift in die gegenwärtige Debatte um den Zustand der Welt mit dem Ziel ein, die paradoxe Situation einer erneuten Relevanz globaler Rivalitäten innerhalb der vielgestaltigen „Globalisierungsprozesse“ zu untersuchen. Dabei wird ein analytischer Rahmen zur Erklärung von Geopolitik ausgearbeitet, der sich für die Untersuchung konkreter weltpolitischer Entwicklungstendenzen und Kräftekonstellationen als überaus hilfreich erweist.
Aber wahrscheinlich landen wir bei Hans Plesch und lassen uns die neue „Testcard Nr 17 -Sex“ vorstellen.
Um 14.00 Uhr dann noch eine Premiere. Der MEHRklang Verlag präsentiert sich zum ersten mal auf der Linken Literaturmesse und zwar mit: Ich will ich sein – Tagebuch der integrativen Rockband „Honey Sweet & The 7 Ups“
Zum Buch: Die Musikpädagogin und Tourmanagerin Anita Rahm beschreibt zwei Jahrzehnte, in denen die integrative Rockband viele Erfolge feiern konnte und regelmässig eine breite Öffentlichkeit mit ihrer ungewöhnlichen Musik begeisterte.
barricada – November 2008