10 Jahre Bolognaprozess! Für uns kein Grund zu feiern!

Im März 2010 jährt sich nun der Beginn des so genannten Bologna Prozess bereits zum zehnten Male. Im Rahmen dieses Prozesses arbeiten mittlerweile 46 Staaten an der Vereinheitlichung des Hochschulsystems. Die selbst gesetzten Ziele des Prozesses sind die Förderung von Mobilität, von internationaler Wettbewerbsfähigkeit und von Beschäftigungsfähigkeit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich hierbei um die bestmögliche Verwertung des Produktes „Bildung“ nach kapitalistischer Logik handelt. Dass man sich diesem Ziel innerhalb der letzten zehn Jahre recht zügig angenähert hat, ist die bittere Realität der Studierenden weltweit.

Durch die Einführung des Bachelor/Master Systems verkam das sowieso schon desolate und selektive Hochschulsystem noch weiter gehend zu einer schlechten Ausbildung, die mit dem Begriff der Bildung nicht mehr viel zu tun hat. In den fragwürdigen Genuss dieses Studiums kamen eh und je eher der privilegierte Teil der Gesellschaft. Kinder aus ArbeiterInnenfamilien blieb dieser Zugang meist eh schon verwährt. Um die Pforte aber weiter zu schließen, wurden die Studiengebühren eingeführt. Vermehrt beginnen Studienberechtigte aus finanziellen Gründen überhaupt kein Studium mehr oder müssen im Zuge der Studienzeit abbrechen, weil sich Nebenjobs und die verkürzte Studienzeit nicht mehr vereinbaren lassen.
Zu gleich gellt der Schrei aus den Reihen der KapitalistInnenklasse, man bräuchte Eliteunis um die Studienqualität sichern zu können. Es reicht also nicht aus, die bestehenden „Massenunis“ so selektiv zu betreiben, dass bereits jetzt nur knapp 7% aller Studierenden aus der ArbeiterInnenklasse kommen. Nein, um die kleine Minderheit der Besitzenden adäquat zu reproduzieren, müssen noch teurere Unis her, die sich dann wirklich nur noch die Kinder von BestverdienerInnen leisten können.

Das alles sind die Ergebnisse von zehn Jahren Bologna. Doch auch die Proteste formierten sich in dieser Zeit zunehmend. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Bildungsprotesten. So wurden in Hessen durch konsequente und andauernde Kämpfe die Studiengebühren abgeschafft. Der vergangene Bildungsstreik wurde durch die Initiative aus Wien zu einer Welle der Besetzungen von Hochschulen auf der ganzen Welt, die sich vor allem gegen die Symptome an ihren Unis richteten, die Bologna hinterlassen hatte. Sie richteten sich gegen Ökonomisierung, Verschulung und Leistungsdruck und machten sich stark für mehr Selbstbestimmung, Kostenfreiheit und vieles mehr. Zusammen mit SchülerInnen, Azubis und Erwerbslosen wurde gekämpft und sich vernetzt. Diese Netzwerke sollen nun vom 11. bis zum 13.3. in Wien und in Budapest aktiviert werden. Dort wollen die Herrschenden feiern, dass sie die Unis der Mehrheit der Menschen verschlossen haben, dass die Ware Bildung mittlerweile noch besser verwertbar ist, als sie es unlängst war und nicht zuletzt, dass man nun auch StudentInnen nach viel kürzerer Ausbildungszeit auf den Arbeitsmarkt werfen kann. Und das Beste: Es kostet sie nichts. Im Gegenteil wird durch die Gebühren und die Ökonomisierung des Bildungssektors auch noch Profit erwirtschaftet. Der Interessensgegensatz wird klar: was ihr Vorteil ist, ist unser Nachteil. Für uns Lernende ist das kein Grund zu feiern, sondern zu stören, zu sabotieren und zu blockieren! Ein breites Bündnis aus Wien bereitet die Aktionen am 11.3. vor sowie einen alternativen Bildungsgipfel am 12.3. und am 13.3.
Aus einigen Städten Deutschlands fahren Busse nach Wien und Mitfahrgelegenheiten werden unter einem eigens angelegten Wiki koordiniert.

SchülerInnen organisieren sich selbst!

Durch die bundesweiten Unibesetzungen im Winter 2009 wurde zwar ein seit langem beispielloser Bildungskampf geführt und auch jetzt noch weiter getragen, aber die Anliegen der SchülerInnen fielen dabei vielerorts komplett unter dem Tisch. Deswegen nehmen sie ihre Interessen vermehrt selbst in die Hand. Vereinzelt kam es in Städten wie Düsseldorf und Altdorf zu Schulbesetzungen. Für diesen Weg entschlossen sich am 11. Februar nun auch die SchülerInnen des Albrecht Dürer Gymnasiums in Nürnberg. In einer Vollversammlung der Mittelstufe wurde die Besetzung der Turnhalle beschlossen. Ziel der Besetzung war es vor allem Forderungen aufzustellen, die den direkten Lebensalltag der SchülerInnen betreffen. Zu den thematisierten Forderungen gehören zum einen die Abschaffung der so genannten „Blauscheine“, die SchülerInnen bereits bei minimaler Verspätung erhalten. Ein weiterer Punkt war das Essen an der Schule, welches von den BesetzerInnen als zu teuer empfunden wird. Gerade für Familien mit geringen Einkommen stellt dies eine zusätzliche finanzielle Belastung dar. Als skandalös wird von den Schülerinnen auch die „10% – Regelung“ beschrieben, laut der das Fernbleiben eines Kurses mit Nachprüfungen sanktioniert wird. Besonders empörend ist hierbei, dass Gründe nicht ausschlaggebend sind, was bedeutet, dass auch Atteste das Fernbleiben nicht rechtfertigen.

Doch wie immer, wenn Menschen sich für ihre Rechte stark machen, lässt die Repression nicht lange auf sich warten. Von Rektoratsseite wurde umgehend mit der Räumung der Turnhalle und Disziplinarverfahren gegen Einzelne gedroht. Darum befanden sich die BesetzerInnen bereits von der ersten Minute der Besetzung an in „Verhandlungen“ mit der Schulleitung und konnten nicht einmal an ihren Forderungen arbeiten. Letztendlich machte die Gegenseite ihre Drohungen gegen 16 Uhr wahr und ließ die Polizei kommen. Selbst diesen ansonsten nicht sonderlich zimperlichen Zeitgenossen, schien dieses restriktive Auftreten gegen die SchülerInnen eher peinlich zu sein. Zumal auch die Medien sofort vor Ort waren und sich die ersten Organisationen solidarisierten, unter anderem die ehemaligen BesetzerInnen der Georg-Simon Ohm Hochschule. Trotz der guten Presse, die der Aktion folgt, hält der Direktor an seiner „Null Toleranz“ Linie fest und zitiert am Donnerstag, den 4. März 2010 drei BesetzerInnen zum Disziplinarausschuss. Diese drei willkürlich ausgewählten Menschen, sollen nun stellvertretend für eine klare Mehrheit der SchülerInnen, die sich für die Aktion ausgesprochen haben, abgestraft werden. An ihnen soll ein Exempel statuiert werden, das eine Drohung für alle sein soll, die sich an ihrer Schule für ihre Interessen stark machen wollen. Doch die Betroffenen lassen sich nicht einschüchtern und sie erfahren viel Solidarität. Am Tag der Disziplinarverfahren wird es vor der Schule eine von der SDAJ organisierte Kundgebung für die Betroffenen geben. Das Motto: Solidarität mit den BesetzerInnen des Dürer-Gymnasiums. Angegriffen sind 3 – gemeint Alle, die für bessere Bildung und Chancengleichheit kämpfen!!Angegriffeind drei – gemeint sind Alle, die für bessere Bildung und Chancengleichheit kämpfen!“, soll am 4.3. ab 11 Uhr lautstarker Protest gegen die Repression statt find.

Erschienen in barricada – März 2010