Der Antifaschist Deniz K. könnte in Kürze aus der Haft entlassen werden. Seit nunmehr 14 Monaten ist der junge Mann inhaftiert – in einem hoch umstrittenen Verfahren war ihm vorgeworfen worden, bei einer antifaschistischen Demonstration im März 2012 in Nürnberg mit einer Fahnenstange auf mehrere Polizeibeamte eingestochen zu haben.
Artikel der Nürnberger Nachrichten
In der vergangenen Woche hob der Bundesgerichtshof (BGH) nun das im November letzten Jahres vom Landgericht Nürnberg-Fürth gefällte Urteil auf und ordnete an, dass das Gericht erneut über die Strafbemessung verhandeln müsse. Das Landgericht hatte K. wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch zu einer Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren ohne Bewährung verurteilt. Sowohl der Prozessverlauf als auch das hohe Strafmaß hatten damals in mehreren bundesdeutschen Städten und sogar im europäischen Ausland zu Protesten antifaschistischer Organisationen geführt, die die Verurteilung des mittlerweile 20jährigen massiv kritisierten.
So hatte die Staatsanwaltschaft Deniz K. zunächst bezichtigt, sich des »versuchten Totschlags« in zwei, später sogar in fünf Fällen schuldig gemacht zu haben: Er habe mit einer Fahnenstange auf Polizeibeamte eingestochen. Die Beamten hatten zuvor eine bis zu diesem Zeitpunkt vollkommen friedlich verlaufende antifaschistische Demonstration in Nürnberg, in deren Rahmen die vollkommene Aufklärung der Morde und Anschläge des neofaschistischen Terrornetzwerkes »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) gefordert worden war, angegriffen und die Protestierenden mit Schlagstöcken und Pfefferspray traktiert. Obwohl die Beamten, die angeblich Opfer der Attacken von Deniz K. gewesen sein sollen, Helme und Brustpanzer getragen und sich keiner der Polizisten in Folge des Einsatzes verletzt gemeldet hatte, wollte die Staatsanwaltschaft nicht von dem Vorwurf des »versuchten Totschlages« ablassen.
Dass es Oberstaatsanwältin Ulrike Pauckstadt-Maihold, die in ihrem Plädoyer sogar eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert hatte, keineswegs darum ging, die tatsächlichen Ereignisse, zu denen es im Rahmen der Demonstration gekommen war, aufzuarbeiten, war indes bereits in der von ihr verfassten Anklageschrift deutlich geworden. So hatte Pauckstadt-Maihold darin konstatiert, dass der Vorwurf eines mehrfachen versuchten Totschlags aufgrund der politischen Gesinnung des Angeklagten geboten.
Dies war damals auf massive Kritik des Solidaritätskomitees »Freiheit für Deniz K.« gestoßen, welches feststellte, dass die »abenteuerliche Argumentationskette« der stellvertretenden Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth darauf hinauslaufe, dass K. wegen seiner »revolutionären Gesinnung « die »bürgerliche Ordnung« derart hasse, daß ihm »der Tod von deren Hütern egal sei«. Der Polizei hatten die Antifaschisten außerdem vorgeworfen, im Rahmen ihrer Ermittlungen »massive Verstöße und Rechtsbrüche« begangen zu haben und bemüht gewesen zu sein, »Deniz zu einer Polizisten mordenden Bestie zu stilisieren«. Während seiner bisherigen Haftzeit war der junge Mann mit türkischem Migrationshintergrund bereits mehrfach Opfer von rassistischen Pöbeleien und gewalttätigen Übergriffen des Personals der Justizvollzugsanstalt Nürnberg ausgesetzt gewesen. Zudem hat er aufgrund seiner Inhaftierung einen bereits zugesagten Ausbildungsplatz verloren.
Der BGH gab unterdessen bekannt, seinen bereits in der letzten Woche ergangenen Beschluss im Laufe dieser Woche veröffentlichen zu wollen. Der Prozess gegen Deniz K. dürfte dann voraussichtlich in den nächsten Monaten neu aufgerollt werden.
Quelle: Solikomitee