Kann es sein, dass ein ganzes Land mit seinen Politikern, Zeitungen und Talkshows über Monate kaum etwas Wichtigeres kennt als die Schicklichkeit oder Unschicklichkeit des Betragens eines politischen Repräsentanten, der auf dem Feld der staatlichen Machtausübung, der Festlegung der Ziele und Wege der Politik, definitiv nichts zu sagen hat?
Offenbar schon. Ein günstiger Hauskredit von reichen Freunden und deren Hausbank, das Verschweigen dieser geschäftlichen Connection gegenüber dem niedersächsischen Landtag, ein Versuch Wulffs, die Veröffentlichung der Peinlichkeiten durch die Bildzeitung mit einem Drohanruf bei Chefredakteur und Verleger zu verhindern, genügen, um ihm außer der Feindschaft dieser Zeitung die immer weitergehende Ausleuchtung seiner Vergangenheit und die Aufdeckung immer neuer kleiner und kleinster Unregelmäßigkeiten einzutragen. Das Ausnutzen von Gelegenheiten, die mit hohen Positionen im Machtapparat verbunden sind, das Mitnehmen kleiner Vorteile, verstößt, soweit bekannt, nicht gegen Gesetze und ist in der Macht- und Geld-Elite des Landes alltäglich, ja gar nicht der Rede wert: Den „Träger des höchsten Staatsamtes“ aber macht es unmöglich, wenn es öffentlich wird. Die Nation fühlt sich nicht mehr würdig repräsentiert – und das darf das Volk der Figur, die das hohe Amt bekleidet, übel nehmen.
Der Bundespräsident ist also wichtig: Fragt sich nur wozu?
Der höchste Repräsentant, der keine Macht hat, wirke nur durch das Wort, sagt die Presse, sein ganzes Kapital sei seine Glaubwürdigkeit. Interessanter als die Frage, ob er die nun endgültig oder nur vorläufig verspielt hat, sind die Fragen, wieso der Staat ein Amt – und zwar das höchste – einrichtet, bei dem es nur um’s Labern geht, und warum dazu die Fähigkeit, als Person glaubhaft zu wirken, so unverzichtbar ist.
Die Präsidenten der Bundesrepublik sind immer außerordentlich beliebt gewesen – und das scheint in dem Amt auch besonders wichtig zu sein. Das unterscheidet sie von Kanzlern und Ministern, die selbst über sich sagen, sie würden ihre Aufgabe verfehlen, wenn sie sich nach Meinungsumfragen und Beliebtheitswerten richten würden.
Veranstalter: Redaktion der Politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt