wir kommen wieder – keine Frage!

In Bewegung gekommen

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Bildungsstreiks, Demos… Einen Monat ist die GSO in Nürnberg nun erfolgreich besetzt worden, seit über einem Monat sind die FAU Erlangen-Nürnberg, die JMU Würzburg und die FH Coburg besetzt. An beiden Hochschulen in Regensburg dauert die Besetzung seit Wochen an und allein deutschlandweit sind es über 80 besetzte Bildungseinrichtungen, zu denen weltweit – insbesondere in Österreich und GB – noch einmal eine Vielzahl hinzukommt.

Aus der Basis der Lernenden – Schüler_innen, Student_innen, und Azubis – hat sich eine starke Bildungsbewegung entwickelt, die in den letzten Jahren Ihresgleichen sucht! Was diese Bewegung dabei auszeichnet, ist auch die breite Unterstützung, die sie aus verschiedensten Bereichen der Gesellschaft erfährt, praktische Solidarität aus der Nachbarschaft, Unterstützung durch prekär Beschäftigte, Arbeitsloseninitiativen, politische Verbände und insbesondere durch Gewerkschaften. Das ist nicht nur wichtig, weil die Gestaltung der Bildung und der Zugang zu Bildung für die gesamte Gesellschaft von Bedeutung sind: Vielmehr hängen die Ursachen dafür, dass das gegenwärtige Bildungssystem eben nicht nach unseren Interessen funktioniert, mit den Gründen für (Arbeits-)kämpfe in anderen gesellschaftlichen Bereichen zusammen.
Die Frage, was eine „bessere Bildung“ für uns tatsächlich ist und wie wir sie erreichen können, macht einen Blick auf den Hintergrund notwendig!

Bildung als Ware?

Eine wichtige Rolle spielt in den Bildungsprotesten zu Recht die Kritik an der „Ökonomisierung der Bildung“. Dabei genügt es allerdings nicht, die aktuellen Verschärfungen zu kritisieren. Denn dass Forschung und Bildung zu Waren bzw. Produkten gemacht werden, ist nichts neues, sondern vielmehr ein Ergebnis, zu dem die gesellschaftliche Verwertung von Forschung/ Bildung im Kapitalismus automatisch führt. Der Nutzen wird dabei eben nicht am Gemeinwohl orientiert, sondern am Profit: Beispielsweise werden Medikamente als Pharma-Produkte nicht dem Bedarf entsprechend entwickelt, um möglichst viele Menschen zu heilen oder gesund zu erhalten. Stattdessen richten sich die Forschungsinvestitionen danach, welche Kaufkraft für die entspr. Produkte vorhanden ist. (So war weniger als 1 % der zwischen 1975 und 1999 neu auf den Markt gebrachten Medikamente für die Behandlung von Krankheiten bestimmt, die vor allem in der 3. Welt verbreiteten sind. Quelle : Investing for life, Oxfam Briefing Paper, November 2007 S.15)

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Forschung, die der Senkung von Produktionskosten dient, hätte eigentlich ein enormes Potenzial für das Gemeinwohl, was materiellen und gesellschaftlichen Fortschritt angeht. Trotzdem klafft eine Lücke zwischen diesem Potenzial und den tatsächlichen gesellschaftlichen Auswirkungen: Indem diese Forschung nämlich zu Rationalisierung führt, bringt sie zwar steigende Profite und technische Verbesserungen, erscheint den abhängig Beschäftigten aber sogar als Bedrohung, anstatt ihnen zugute zu kommen. – Und das ist kein psychologisches Phänomen: Wenn technischer Fortschritt Menschen bei der Güterproduktion oder bei Dienstleistungen Arbeit abnimmt, hat das im Kapitalismus schließlich Entlassungen und steigenden Druck auf die verbleibenden Arbeitnehmer_innen zur Folge.

Und der Staat?

Kritik an der „Ökonomisierung von Bildung“ wirft natürlich die Frage nach einem Gegengewicht auf. Eine scheinbar einfache Antwort darauf wäre: „der Staat“. – Aber ist das wirklich so? Tatsächlich tritt der Staat immer wieder als Gegenpol zu Einzelinteressen von Unternehmen, Investor_innen, Kapitalist_innen … auf. Doch das Entscheidende dabei ist, dass der Staat diesen wirtschaftlichen Akteuren zwar im Einzelfall entgegenwirkt – aber nicht in unserem Interesse, sondern um die wirtschaftlichen Gesamtinteressen von Unternehmen, Investor_innen, Kapitalbesitzer_innen etc. zu wahren. Die einzelnen Konkurrenten sind nämlich auf einen Ausgleich durch den Staat angewiesen. Hätten sie die alleinige Macht über Investitionen in Forschung und Bildung, würden sie nicht nur wechselseitig ihre Interessen gefährden, sondern auch ihre eigenen: Zum Beispiel wäre es für jeden einzelnen konkurrierenden Kapitalisten profitabler, langfristige Grundlagenforschung, von der auf mittlere Sicht kein Gewinn zu erwarten ist, den anderen zu überlassen. „Die anderen“ wären schon durch den Wettbewerbsdruck gezwungen sich ebenso zu verhalten. Aber das würde dann auf Dauer den Interessen aller schaden, weil es so niemand machen würde.
Hier verhält sich der Staat also als Vertreter eines ideellen Gesamtinteresses „der Wirtschaft“ bzw. aller konkurrierender Kapitalisten zusammen.
Forschung und Bildung als Waren nimmt der Staat allerdings auch selbst in Anspruch. Zum Beispiel verwertet er sie für aktuelle Kriegseinsätze oder Investitionen in zukünftige Kriege. Selbst das renommierte Max Planck Institut wurde ursprünglich zum Zweck militärischer und kriegsrelevanter Forschung gegründet. Weitere Beispiele sind der Masterstudiengang „Military Studies“ an der Uni Potsdam und die Beteiligung der FU Berlin am Sonderforschungsbereich 700, wo im Rahmen zivil-militärischer Zusammenarbeit unter anderem der deutsche Kriegseinsatz in Afghanistan evaluiert wird.
Dass der Staat Bildung und Forschung eine gewisse „Freiheit“ einräumt, ist zu all dem kein Widerspruch, sondern durchaus der Effizienz geschuldet. Auch als Ware funktionieren Bildung und Forschung schließlich nicht wie „normale“ Investitionsgüter: Menschen lassen sich beim Lernen nicht wie Computer programmieren und wissenschaftliche Methoden haben eine notwendige Eigendynamik. Die Kosten dafür werden vom Staat sozialisiert.

Selbst aktiv werden!

Wenn wir also Bildung für das Gemeinwohl, Bildung für die freie Entfaltung verantwortungsvoller, solidarischer Menschen wollen und sich der Staat nicht für ein Bildungssystem nach unseren Interessen einsetzt, wer soll es dann tun? – Wir müssen es selber tun!!!
Dabei dürfen wir uns nicht gegen die Schüler_innen, Student_innen und Azubis an anderen „Standorten“ ausspielen lassen. Dadurch würden wir uns selbst schwächen und von Mitstreiter_innen spalten lassen, die an anderen Orten für dieselben Ziele kämpfen wie wir. Wenn wir uns unter sogenannte „Standortinteressen“ unterordnen und uns weiß machen lassen, das seien die gemeinsamen Interessen von „oben“ und „unten“, dann ordnen wir uns in Wirklichkeit einer für uns verheerenden Logik unter. Einen Vorteil daraus ziehen werden aber niemals wir, sondern diejenigen die uns gegeneinander benutzen!
Der nationalen Konkurrenzlogik folgen Reformen wie der Bologna-Prozess, wo der „Erfolg“ von Bildung allein an der Nützlichkeit in der Konkurrenz zwischen Staaten und Wirtschaftsräumen gemessen wird. Bildung wird zur reinen Investition in später nutzbare Arbeitskraft (Humankapital). Der Bildungserwerb wird dabei um die Wette „effektiviert“ und die Kosten für den Staat sollen gedrückt werden, sodass der Leistungsdruck und finanzielle Druck auf die Studierenden enorm steigt. Gleichzeitig wird zwischen den einzelnen Hochschulen eine Konkurrenz um staatliche Finanzierung und Drittmittel erzeugt.

Chancengleichheit? Gleichwertigkeit? – Schön wär’s!

Ein gegeneinander Ausspielen von Studierenden an „Elite-Unis“ und an „normalen“ Hochschulen wollen wir verhindern. Eine solche Auslese trägt dazu bei, dass die Absolvent_innen „normaler“ Hochschulen, in deren Bildung also weniger investiert wurde, später als billige Arbeitskräfte herhalten müssen.
Ähnlich funktioniert jedoch die Selektion im gesamten Bildungssystem. Auch das ist aber nur ein Ausschnitt, den man schwer isoliert betrachten kann: Soziale Selektion ist in dieser Gesellschaft allgegenwärtig und sie greift ineinander: im Elternhaus, von dem die Ausgangschancen abhängig sind, in der Schule, am Ausbildungsmarkt, in der Hochschulbildung, auf dem Arbeitsmarkt usw… Während die Interessen von Staat und Wirtschaft lediglich durch eine „zu frühe“ Auslese beeinträchtigt werden können, indem potentielle spätere Fachkräfte „verlorengehen“, sind die Folgen für uns fatal: Soziale Selektion trennt uns voneinander, weist uns unter Umständen eine miese Zukunft zu, demütigt uns, raubt uns Chancen, vergrößert die soziale Kluft zwischen arm und reich, ordnet uns gesellschaftlichen Klassen zu und zementiert die mit diesen Klassen verbundenen ungerechten Machtverhältnisse.

Mehr Geld für Bildung

Dass Bildung entscheidend für die gesellschaftliche Zukunft ist, dürfte kaum jemand ernsthaft bezweifeln. Was also ist mit dem Staat los, dass er an unserer Bildung spart und gleichzeitig marode Banken mit Milliarden sponsert? Die Macht der Bankenlobby reicht als Erklärung dafür nicht aus. Die Ursache liegt vielmehr darin, dass der Markt allein nicht fähig ist, das Wirtschaftssystem zu stabilisieren. Ohne den Staat wäre das gesamte Geldsystem längst zusammengebrochen und hätte die Produktion und die Konsumgesellschaft mit sich gerissen. Genau das würde nämlich passieren, wenn der Staat kein Geld in diese Banken stecken würde. Bestimmte marode Banken sind systemrelevant – in diesem System. Bildung ist aber in jedem System relevant.

Nur ein Schimmer am Horizont? – Ein neuer Horizont!

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Wir haben ein paar Zugeständnisse durchgesetzt, aber unsere Ziele noch nicht erreicht. – Und trotzdem haben wir einen großen Erfolg errungen! Wir sind keine Spielbälle des Bildungssystems mehr, die sich von angeblichen Sachzwängen herumkicken lassen. In den letzten Wochen haben wir den Alltag angehalten. Wir haben uns Raum und Zeit erkämpft, um gemeinsam über unsere Situation und unsere Ziele zu diskutieren und Handlungsstrategien zu entwickeln. Diesen selbstorganisierten Rahmen haben wir nicht nur dazu genutzt, unsere Forderungen nach außen zu tragen, sondern auch gesellschaftlichen Druck zu erzeugen. Wir haben angefangen, eine Handlungsgrundlage zu schaffen, um selbstbestimmt etwas an den Verhältnissen zu verändern.

Wir haben begonnen für unsere Interessen Gegenmacht aufzubauen!
Ein guter Anfang für vielfältige Formen von Selbstorganisation, Protest und Widerstand ist gemacht! Fortsetzung lohnt sich!