Kulturindustrie für Wohnzimmerabenteurer

eine antikapitalistische Annäherung an Computerspiele

„Stockwerk für Stockwerk kämpfe ich mich zum Dach des Reichstages vor. Um mich herum höre ich Gewehrschüsse. Granaten explodieren und Maschinengewehre rattern. Noch eine Treppenwindung, dann müsste es geschafft sein. Vorsichtig umrunde ich geduckt das Geländer, das meine einzige Deckung darstellt. Ein schneller Blick um die Ecke und É verdammt! Zwei SS-Soldaten erwarten mich am Ende der Treppe. Sofort ziehe ich meinen Kopf zurück. Die Deutschen schreien „Achtung! Der Feind!“ und schon höre ich das charakteristische Klimpern einer Granate, die die Treppe herunter rollt. Doch ich behalte die Nerven. In den vielen Stunden zuvor ist mir das oft genug passiert. Ehrlich gesagt, etwa ein halbes Dutzend mal haben mich die Nazis in die Luft gesprengt, mit Blei durchsiebt oder sonst wie ums Eck gebracht. Begleitet von lautem Fluchen blieb mir dann nur, den Spielstand neu zu laden, bis ich es dann schließlich geschafft habe, das Dach des Reichstages zu erreichen und zuzusehen, wie unter dem Jubel Dutzender Sowjetsoldaten die Rote Fahne geschwenkt wird.“

Der zweite Weltkrieg ist zu Ende. Zumindest im Computerspiel „Call of Duty“, (Infinity Ward, 2003) in dem man im letzten Drittel als Soldat der Roten Armee verschiedene Kriegsmissionen erfüllen soll. Bei obigem Beispiel handelt es sich um einen so genannten „Ego-Shooter“, also ein Spiel-Genre, bei der man aus der Perspektive des Protagonisten hauptsächlich auf virtuelle Gegner schießt. Doch auf solche im Moment in der öffentlichen Diskussion als „Killerspiele“ dämonisierte Kulturerzeugnisse soll erst später eingegangen werden. Zuerst sollte geklärt werden, was unter einem Computerspiel zu verstehen ist.
Computerspiele sind rein technisch betrachtet Programme, die, wie der Name vermuten lässt, auf Computern ablaufen und einem oder mehreren Menschen erlauben, den Verlauf des Programmes mehr oder weniger interaktiv zu beeinflussen. So ist der eher simple Videospiel-Klassiker Pong (Atari, 1972) genauso ein Computerspiel wie die relativ komplexe Wirtschaftssimulation Anno 1404 (Related Designs, 2009). Eine Abgrenzung des Begriffes „Computerspiele“ zu „Tele-“ oder „Konsolen-“ oder gar „Handyspielen“ ist vor dem Hintergrund, dass es sich technisch bei allen Kategorien um Rechner, also Computer handelt, wenig sinnvoll. Im Folgenden sind mit dem Begriff sowohl PC- als auch Konsolenspiele gemeint.

Computerspiele in der kapitalistischen Gesellschaft
Auch wenn ins Kino zu gehen heute gesellschaftlich anerkannter ist, als zu Hause oder sonst wo vor dem Computer zu sitzen und zu daddeln, ist die wirtschaftliche Bedeutung der Filmindustrie in der BRD bereits hinter die Computerspiel-Industrie zurückgefallen. Die Computerspiele-Branche boomte in den letzten Jahren und auch die Verbreitung von Raubkopien, ja selbst die Wirtschaftskrise konnte diese Entwicklung bislang nicht stoppen. Der Markt ist in Deutschland 2008 um 16,9 Prozent auf 2,68 Milliarden Euro gewachsen. Das ist vor allem deshalb besonders beeindruckend, weil auf der anderen Seite die Umsätze der Musikindustrie drastisch zurückgehen. „Nur“ 1,56 Milliarden Euro konnten die Musikkonzerne in Deutschland mit Tonträgern (inklusive Musikdownloads) im gleichen Jahr an Umsatz erwirtschaften. Bei der Produktion von Computerspielen stehen meistens, was natürlich wenig verwunderlich ist, kommerzielle Gedanken im Vordergrund. Deshalb ist in der Branche eine Tendenz zur Monopolbildung beobachtbar. Große Computerspiele-Hersteller schließen sich zusammen, kleinere werden geschluckt oder gehen pleite. Ein aufwendig produziertes Spiel kann, egal wie gut es bei SpielerInnen ankommt, für eine Herstellerfirma den Ruin bedeuten, wenn es sich nicht ausreichend verkauft. Weniger aufwändig produzierte Spiele kommen massenhaft im Internet, meist zu Werbezwecken, zum Einsatz. Zahlreiche Firmen bieten auf ihren Internetseiten kleine, meist simple (und oft auch wenig spaßige) Browser-basierte Spiele an, die die Identifikation mit Marken erhöhen sollen. Auch Parteien haben schon solche Browser-Spiele eingesetzt. Unabhängig vom Mainstream-Markt existiert noch eine überschaubare Szene von unabhängigen Spiele-Entwicklern. Über verschiedene Internetseiten lose vernetzt finden sich in dieser sogenannten „Independent“-Szene zumindest einige kreative Perlen, die aber natürlich mit kommerziell produzierten Spielen wenig zu tun haben (im Guten wie im Schlechten). Auch nicht unerwähnt bleiben sollen die mittlerweile unzähligen Mod-Projekte (Mod steht für „Modification“, also Veränderung), die bereits existierende Computerspiele mehr oder weniger stark verändern, bis zur völligen Umwandlung des Spielinhaltes in etwas ganz anderes unter Beibehaltung der sogenannten Engine, also den ganz grundsätzlichen nahezu inhaltsunabhängigen Spielfunktionen (in der Szene „Total Conversion“ genannt). Bei der Vermarktung von Computerspielen wird seit einigen Jahren das Erstellen von solchen Mods durch Fans bewusst gefördert.

100000 Punkte oder der Retter der Welt?
Als hauptsächlich noch an Videospiel-Automaten gezockt wurde, war das Spielziel meist ganz banal möglichst viele Punkte zu erreichen und sich in eine Highscore-Liste einzutragen. Über die Jahrzehnte wurde das Punkte-Ziel dann immer mehr von einer richtigen Story verdrängt, so dass das „durchspielen“ auf unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden wichtiger wurde als das Punkte sammeln. Natürlich gibt es auch heute noch Spiele, bei denen möglichst viele Punkte zu sammeln das höchste der Gefühle darstellt, Wettbewerbe werden aber eher durch das direkte Aufeinandertreffen von SpielerInnen ausgetragen. Bei sogenannten E-Sports-Veranstaltungen treten ComputerspielerInnen in Netzwerkspielen gegeneinander an. Gute E-Sportler können auf diese Weise sogar ihren Lebensunterhalt verdienen. Topspieler in Südkorea, wo das Phänomen besonders verbreitet ist, verdienen jährlich bis zu 230.000 US-Dollar. Die meisten Computerspiel-Konsumenten werden aber kaum in solche Ebenen vorstoßen, denn dafür braucht es regelmäßiges „Training“, also stundenlanges Zocken pro Tag. Um Spaß wird es den Spitzen-E-Sportlern dabei genauso wenig gehen, wie Profi-Sportlern in nicht elektronischen Sportarten. Dass der im Mehrspieler-Computerspiel angelegte Wettbewerb zwischen Menschen dem kapitalistischen Konkurrenzprinzip sehr ähnlich ist, lässt sich daran genauso beobachten, wie in allen anderen auf Konkurrenz basierenden Spielen. In so fern ist dieser Aspekt eher uninteressant, da Mehrspieler-Computerspiele sich darin kaum von anderen (spielerischen) Wettbewerben unterscheiden.

Auf den Inhalt kommt es an

Interessanter ist es, zu betrachten, was Computerspiele inhaltlich zu bieten haben. Jedes Spiel, also auch jedes Computerspiel muss irgendeinen Inhalt transportieren. Dadurch, dass Regeln vorhanden sein müssen, werden auch irgendwie ein oder mehrere Ziele definiert. Diese „Ziele“ können je nach Spiel sehr unterschiedlich sein. Auch vom Spieler selbst kann das Ziel in einigen Fällen beeinflusst werden. So lassen in den letzten Jahren viele Computerspiele mit Handlung unterschiedliche Enden zu, die vom Verhalten des Spielers abhängen. Manche Spiele sind auch völlig offen, kennen gar kein Ende. Ein vorläufiges Ende in Spielen mit menschlichen oder menschenähnlichen Protagonisten, ist meist der Tod. Doch da es diesen zu vermeiden gilt (ganz wie im echten Leben) existiert nahezu immer die Möglichkeit, einen früheren Spielstand wieder herzustellen (ganz im Gegensatz zum echten Leben). Allerdings gibt es auch Spiele, wo der Tod des Hauptcharakters keine Folgen hat oder sogar, in ganz bizarren Fällen, z.B. im erzählerisch wegweisenden Rollenspiel „Planescape ?? Torment“ (Interplay, 2000), neue Möglichkeiten eröffnet. Ein interessantes Experiment ist dagegen ein kostenloses Independent-Spiel namens „Execution“ (2DCube, 2008). In diesem Spiel ist die Entscheidung über Leben und Tod endgültig, das heißt kein neuer Versuch ist nach einer Entscheidung mehr möglich. Spiele, die so abstrakt gehalten sind, dass gar kein Ziel erkennbar ist, sondern einfach irgendwas passiert, wenn der Spieler etwas macht, gibt es übrigens auch. Mit der Zeit wird aber nahezu jeder Mensch sich selbst auch in diesem Fall ein Ziel setzen, z.B. das Spiel wieder von der Festplatte zu löschen.

Wehrmachtsgeneral oder Widerstandskämpferin, du hast (k)eine Wahl!

Die relative Entscheidungfreiheit in manchen Computerspielen erschwert eine Einordnung der inhaltlichen Aussage. Als Beispiel kann z.B. ein x-beliebiges Kriegsspiel dienen. In vielen Spielen dieser Gattung können verschiedene Kriegsparteien als spielbare Fraktionen ausgewählt werden. Das bedeutet, man kann beispielsweise in einem Spiel mit dem 2. Weltkrieg als Hintergrund entweder die NS-Kriegsmaschine oder die US-Kriegsmaschine wählen. Die Spielziele, eine für das Spiel umsetzbare Abwandlung der historisch vorgegebenen Kriegsziele, dürften sich als Konsequenz aus dieser Wahl deutlich unterscheiden. Manche Spiele bieten sehr weit gefächerte Möglichkeiten an, das Spiel zu beginnen, andere lassen gar keine Wahl. Davor besteht natürlich noch die Möglichkeit, das Spiel zu wählen. Wer ein Spiel, in dem bestimmte Inhalte vorkommen (Gewalt, Sex, Nazis, etc.) nicht spielen möchte, kann sich davon fern halten. Relativ eindeutig inhaltlich zu bewerten sind Spiele, die eine klare Rolle und klare Ziele festlegen. Ein Spiel, das den Spieler die Führung des deutschen Angriffskrieges auf Polen nachspielen lässt, wobei alles außer dem „Endsieg“ als Niederlage gewertet wird, kann durchaus als „aufgrund der Auslassung historischer Zusammenhänge und der Verharmlosung der Rolle der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg (É) als sehr problematisch und politisch desorientierend“ bewertet worden. Das hatte die  Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften 1994 über das Strategiespiel „Panzer General“ geschrieben und das Spiel konsequenterweise indiziert. Was ist aber, wenn auch eine andere Rolle, z.B. die von WiderstandskämpferInnen im gleichen Spiel übernommen werden kann? Das nachspielen der Wehrmacht also nur eine von vielen Möglichkeiten ist? Nun, für den Spiele-Vertrieb in Deutschland wäre dann am ehesten ein Weglassen der moralisch zweifelhafteren Rollen und Handlungen durch die SpieleproduzentInnen denkbar, wie es auch schon etliche Male passiert ist, um eine den Verkauf hemmende Altersbeschränkung oder gar die Indizierung zu vermeiden. So wird die Entscheidungsfreiheit im Spiel nicht nur durch die Spieldesigner vorgegeben, sondern auch durch gesellschaftliche Prozesse eingeschränkt. Eine völlige Entscheidungsfreiheit gibt es natürlich auch in Computerspielen nie. Die Möglichkeiten werden immer durch die Spielmechanik definiert. Dass etwas passiert, was der Spielentwickler nicht bewusst als Spielverlauf geplant hat, aber nicht als den Spielfluss störender Fehler wahrgenommen wird, ist unmöglich.

Gewalt ist böse, böse, böse!

Kaum ein Medium ist zur Zeit so umstritten wie Computerspiele. Dabei sind es nur sehr wenige Spiele, die die Gemüter erhitzen. Gegen Computerspiele allgemein gibt es kaum noch Widerstände. Längst wurden, neben den Profitmöglichkeiten, zahlreiche gesellschaftlich akzeptierte Anwendungen gefunden. Konkret sind es Spiele, in denen der Protagonist zum Erreichen des Spielzieles Gewalt ausüben kann oder muss, die im Moment von zahlreichen gesellschaftlichen Kräften, teilweise aus unterschiedlichen Ursachen, bekämpft werden. Während Berufspolitikern Computerspiele, Zocker und Spiele-Hersteller als Sündenböcke für bestimmte Probleme gerade Recht kommen, so haben andere schon besser nachvollziehbare Argumente, die teilweise nicht ganz falsch sind. So gibt es den „Kölner Aufruf gegen Computergewalt“, der neben sehr vielen eher zweifelhaften Charakteren auch von Menschen aus der Friedensbewegung unterstützt wird. Der Kölner Aufruf bemerkt zu Recht, dass Computerspiele auch menschenverachtende Inhalte enthalten können und weist darauf hin, dass sich auch Staaten die Faszination Jugendlicher für Computerspiele zu Nutze machen können, um z.B. für die eigenen Kriegsarmeen und ihre Ziele zu werben. Als Beispiel wird manchmal der von der US-Armee entwickelte Online-Taktik-Shooter „Amerika’s Army“ (Moves, 2002) genannt. Bei diesem Spiel handelt es sich um den Versuch der US-Streitkräfte, Propaganda für die US-Armee zu machen und junge SpielerInnen als RekrutInnen zu gewinnen. Wer das Spiel spielt, muss sich auf Servern der US-Army registrieren und auch das spielerische Abschneiden in diesem Teamplay-orientierten Ballerspiel wird genauestens registriert. Erfolgreiche SpielerInnen werden dann von der Armee kontaktiert. Es gibt also schon Spiele, die direkt und unmittelbar militärischen Zielen dienen. Der Kölner Aufruf macht aber den Fehler und verdammt alle Computerspiele in denen Gewalt eine Rolle spielt, unabhängig vom Inhalt. So wird behauptet „Games-Konzerne dienen [É] als Teil des militärisch-industriell-medialen Komplexes dazu, mit âSpielen‘ die künftigen Soldaten heranzuziehen. Das Alltagsleben wird vom Krieg durchdrungen, um Akzeptanz für die derzeitigen und künftigen Kriege zu schaffen. Diese Spiele sind somit massive Angriffe auf Menschenrechte, Völkerrecht und Grundgesetz.“ Der Kölner Aufruf ist ein typisches Beispiel für das Problem, den Inhalt nicht vom Medium unterscheiden zu können. Nicht Computerspiele (z.B. mit Gewaltdarstellungen oder Krieg als Thema) sind problematisch, sondern der vermittelte Inhalt und dessen realer Gegenpart in der Geselllschaft. Aus linksradikaler Sicht kann Gewalt an sich kein Grund sein, bestimmte Computerspiele abzulehnen. Eher, aus welchem Grund im Spiel Gewalt angewendet wird und wem das Vermitteln des Spielinhaltes objektiv nutzt. Die Debatte um „Killerspiele“ zeigt eigentlich nur den üblichen Mechanismus bürgerlicher Politikformen, für alle systemimmanenten Verwerfungen passende Sündenböcke finden zu müssen, damit das System an sich nicht hinterfragt werden muss. Nicht das durch kapitalistischen Konkurrenzdruck verursachte Mobbing und die jeden erfassende Entfremdung sollen z.B. für Amokläufe verantwortlich sein, sondern Computerspiele oder Heavy-Metal-Musik. Auch der Kölner Aufruf unterliegt diesem Mechanismus, auch wenn er „friedenspolitisch“ argumentiert. Denn nicht virtuelle Waffen töten, sondern die der Bundeswehr. Ohne den realen Krieg gibt es auch keinen virtuellen. Computerspiele verbieten zu wollen, die Krieg zum Thema haben, wäre so hilfreich wie alle Bücher oder Filme mit Kriegshintergrund zu verbieten.

Virtuelles Arbeiten nach der realen Arbeit
Computerspiele sind Kulturprodukte. Ein Computerspiel kann so spannend, lehrreich, gefährlich, politisch, langweilig oder irritierend sein wie ein Buch. Der Unterschied ist das Medium und die verbesserte Illusion, den Inhalt selbst zu beeinflussen. Verbessert deshalb, weil es auch Bücher gibt, die als Spiel aufgebaut sind. In solchen „interaktiven Büchern“ kann sich der Leser oder die Leserin entscheiden, wo es weitergehen soll. Wie das funktioniert, ist jedem der ein solches Buch in den Händen hält, sehr schnell klar. Bei Computerspielen ist die Spielmechanik den SpielerInnen aber verborgen. Durch die technische Entwicklung, werden die Darstellungsmöglichkeiten immer komplexer und somit sind Computerspiele denkbar, die tatsächlich sehr realitätsnahe Welten vortäuschen können. Da Computerspiele im Kapitalismus Teil der „Freizeit“ sind, also der reproduktiven Phase, die vor und nach der Lohnarbeit stattfindet, und dazu dient wieder „frisch“ zur Arbeit bereit zu sein, werden die kommerziell erfolgreichen und massenhaft produzierten Spiele tendenziell immer anspruchsloser werden. Eine wirklich fordernde Erfahrung, die es dem Spieler schwer macht (und dadurch spannend) wird immer seltener werden. Schon jetzt entwickeln sich gerade die sehr erfolgreichen Online-Rollenspiele von ehemals spannenden, schwer vorhersehbaren Welten zu Fleißaufgaben mit angeschlossenem Chat. Im wohl bekanntesten Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ (Blizzard Entertainment, 2004) führt der Spieler immer gleiche Aktionen aus, bis der nächste Level erreicht oder genügend Gegenstände gesammelt sind. Wirklich schwierige Entscheidungen werden dem Spieler nie abverlangt. Allenfalls besteht die Gefahr, die mühsam durch stundenlanges stupides herumklicken verdienten Möglichkeiten zur Entwicklung des virtuellen Charakters falsch einzusetzen. Das Bestreben, so etwas zu vermeiden, führt zur ständigen Reproduktion immer gleicher Spiel-Charaktertypen. Dass Menschen sich so etwas antun, muss einen ähnlichen Grund haben, wie dass manche Menschen stundenlang vor dem Fernseher sitzen können und dabei mindesten 20 Mal die Stunde den Kanal wechseln.
Ähnlich wie bei anderen Medien müsste ein linksradikales Computerspiel also eines sein, das fesselt, aber am Ende Lust darauf macht, die echte Welt zu entdecken und im emanzipatorischen Sinne zu verändern. So wie ein guter Abenteuerroman vielleicht diesen Impuls geben kann, kann das vielleicht auch ein Computerspiel. Einen Versuch wäre es wert. Dass so ein Effekt kaum, und wenn nur als Zufall, von millionenschweren Mainstreamproduktionen zu erwarten ist, dürfte klar sein. Deshalb entweder lieber selber machen oder auch mal Independent-Computerspiele (z.B. bei www.tigsource.com) anschauen.


barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur
– Juli 2009