Jeden Monat wieder latschen die Braunen durch Gräfenberg… Jeden nein nicht jeden! Für die meisten völlig überraschend gab es am 26. Juli ein komplett anderes Szenario:
Das mittelfränkische Gräfenberg im Norden von Nürnberg machte in dem letzten 2 Jahren öfters von sich reden. Einmal dadurch, dass monatlich (!) die regionale Naziszene um Matthias Fischer, Sebastian Schmaus & Co das Dorf mit Aufmärschen terrorisiert. Vor allem aber dadurch, dass die Gräfenberger Bevölkerung mit ihrem Bürgerforum kontinuierlich kreativen Protest und Widerstand dagegen setzt. So denkt man bei dem Wort Gräfenberg nicht an ein braunes Nest, sondern immer an ein Dorf, wo es noch eine Zivilgesellschaft gibt, die weder ignoriert noch akzeptiert, dass Nazis ein nicht zuletzt gesellschaftliches Problem darstellen.
Nun zum Freitag den 26. Juli.:
Diesmal zuerst angemeldet hatte das Bürgerforum Gräfenberg. Und zwar einen Friedensspaziergang vom Bahnhof zum Marktplatz, wo ein Fest anlässlich der Verleihung vom „Würzburger Friedenspreis“ an das Bürgerforum stattfinden sollte. Am Montag erst meldete die NPD ihren allmonatlichen Schwachsinn an. Die übliche Route vom Bahnhof rauf am Markplatz vorbei und vor das – wie immer von der Stadt an privat vermietete und daher unzugängliche – Kriegerdenkmal.
Um 19.15 fanden sich das Bürgerforum, GräfenbergerInnen, VVN, Jugendliche aus der Region, einzelne Nürnberger Linke verschiedenster Ecken (Friedensforum bis DKP) und ein Häuflein Antifas aus Nürnberg und Erlangen ein. Insgesamt ca. 150 Leute. Dort gab es eine Megafon-Kundgebung mit Reden und Gedichten (Brecht, Kästner, etc.) Mit einer räumlicher und polizeilicher Abtrennung hielt sich eine kleine Gruppe Nazis direkt vor dem Bahnhof auf. Ich weiß aktuell nicht, ob deren Zahl später noch anwuchs, da warens vielleicht 30-40.
Der Friedensspaziergang nahm seinen Anfang, überwand die ersten 1 ½ Kurven und kam dann ins Stocken. Grund: Einige riefen Halt! und Stehenbleiben! Zunächst zögerlich und unentschlossen, dann aber – als allen klar war worum es nun gehen sollte – mit einem herzlichen „Wir bleibn do“ ließen sich Antifas wie BürgerInnen nieder.
Der Anmelder kam – vielleicht ein bisschen zu engagiert – seiner Pflicht nach und forderte mehrfach die Leute auf weiterzugehen. Zuletzt über eine von der Polizei herangekarrte Lautsprecheranlage. Zwecklos. Was zunächst nach einem kleinen starrköpfigem Haufen aussah, entwickelte sich schnell zu einer Blockade, die den inzwischen aufgezogenen Bullenreihen den Schweiß auf die Stirn trieb: Jugendliche Antifas saßen neben Gräfenberger BürgerInnen, VVNler unterhielten sich mit Rockern von der Kuhlen Wampe und das 6-jährige Kind fragte „Mama wie lange bleiben wir hier?“
Da versuchte der Einsatzleiter noch einmal sein Glück: „Dies ist die 2. Aufforderung; wenn Sie nicht freiwillig gehen, räumen wir die Straße!“ –Pfiffe, Buh-Rufe und trotzige Blicke als Antwort. Auch das Aufstellen von USK-Schlägern konnte die Leute nicht zum Gehen bewegen… im Gegenteil inzwischen war die Blockade auf ca. 300 Menschen angewachsen; Dann wurde es richtig nett: Getränke wurden vom Friedensfest mit Sackkarren zur Blockade gebracht; Jede Menge „Zwaa Braune im Weggla“ , die Gräfenberger DemonstrantInnen schon bekannt sind, wurden verteilt und für die Kinder gab es Eis.
Irgendwann war dann klar: NO PASARAN! – Sie kommen nicht durch. Die Neo-Nazis von NPD/JN werden heute nicht ihre Route laufen, sondern müssen über eine Treppe im Gänsemarsch zu ihrer Kundgebung geführt werden…Da war der SS-Basti (alias Sebastian Schmaus) aber bedröppelt ;-O
Für Ärger musste natürlich noch einmal die Polizei sorgen, die in Gräfenberg scheinbar alles dafür tut, ihr Freund und Helfer Image zu verspielen. Als eigentlich alles schon vorbei war und die BlockiererInnen nun zum wohlverdienten Friedensfest gehen wollten; umstellten die Bullen die Blockade und meinten alle müssten warten bis die Nazis weg sind.
Ich, als jmd. der häufig mit Bulleneinsätzen konfrontiert ist, dachte mir na ja die übliche Schikane halt…Nicht so die GräfenbergerInnen. Sauer wurden sie; die Polizei beschimpften sie und fragten was die Provokation solle; wäre denn die Polizei nun auf Krawall aus, nachdem alles so schön friedlich verlaufen wäre? Ich traute meinen Augen & Ohren nicht als plötzlich eine bunte BürgerInnenmenge vor der Bullenkette anfing: 10–9–8-7-6… Kurzes Geschubse gabs dann; es wurde verhandelt und keine 3 Minuten später löste sich die Bullenkette. Dann konnte das Friedensfest beginnen.
Das schöne an der Blockade war nicht nur, dass endlich einer der monatlich stattfindenden Nazikasperaufmärsche gestoppt wurde; sondern auch zu sehen, wie eine Dorfbevölkerung, statt vor dem Faschoproblem zu kuschen und ihre Forderung nach Zugang zum Denkmal zu erfüllen, im Gegenteil konsequent Protest & Widerstand leistet.
Und dies auch mal gegen den Willen von Staat und seinen Bütteln. Gegen die direkte Anweisung, die Nazis passieren zu lassen, leisteten alle zivilen Ungehorsam. Und drittens ist es auch immer wieder gut in Gräfenberg zu sehen, dass es in einer Situation wie dieser am besten gemeinsam geht. Die Antifa ist akzeptierter Teil in Gräfenberg. Dieser Fakt geht einigen CSU-lern zwar gegen den Strich, dagegen wirksam unternehmen können sie jedoch nichts. Einer hats mal in der Vergangenheit probiert und „Antifas haut ab!“ gefordert. Kassiert hat er dafür, ausgebuht zu werden und dass ein Dutzend CSUler ihm und der Partei den Rücken kehrte… Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren in Gräfenberg klappt einfach relativ gut und Absprachen werden eingehalten.
Nicht zuletzt war die Blockade auch deswegen so cool, weil es einfach mal ein Erfolgserlebnis war: Für alle GräfenbergerInnen, die die Schnauze voll davon haben einmal monatlich von der Nazibrut tyrannisiert zu werden; für alle Antifas, die trotz hoher Ansprüche auch nicht mehr gerade jede Aktion als Erfolg verbuchen können und für alle anderen, die seit 2 Jahren dem menschenverachtenden Pack das „Kein Fussbreit!“ entgegenschleudern.
Auf in den Herbst und danke an alle die dabei waren.
Erstveröffentlichung auf indymedia