Gegen Krieg nach Innen und Außen, gegen die Kriegskonferenz in München!

Vom 8. bis zum 10. Februar treffen sich in der bayrischen Landeshauptstadt München erneut Militärstrategen, Generäle und Rüstungsexperten, Außen- und Verteidigungsminister der NATO- und EU-Staaten, sowie Vertreter der Rüstungsindustrie und der Medien, um in entspannter Runde  gegenwärtige und zukünftige Kriege so zu planen, dass sie möglichst profitabel für sie ausgehen. Diese Kriegskonferenz wird in der Öffentlichkeit von seinen VeranstalterInnen  “Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik??? genannt. Welche Interessen von dieser Konferenz bedient werden, die übrigens früher „Wehrkundetagung“ hieß, wird auch deutlich, wenn man die Geldgeber dieser „Privatveranstaltung“ betrachtet. Offiziell wird die Kriegskonferenz in München von der BMW-eigenen Herbert-Quandt-Stiftung ausgerichtet und finanziert. Weitere Gelder kommen von der Rüstungsindustrie. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE zur „Verwendung von Bundesmitteln für die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik und Einsatz der Bundeswehr 2007“ wird die Konferenz  auch erheblich aus staatlichen Geldern unterstützt. Allein für die Absicherung der dreitägigen Veranstaltung würden demnach rund 520.000 Euro ausgegeben. Damit werden 90 bewaffnete BundeswehrsoldatInnen bezahlt, die das Hausrecht im Konferenzsaalbereich des Tagungshotels Bayrischer Hof ausüben und sich damit an einem illegalen Einsatz der Bundeswehr im Inneren beteiligen. Weitere 310 Soldaten unterstützen die Organisation der Konferenz  und betreiben für die VeranstalterInnen Öffentlichkeitsarbeit.
Zu dieser Summe gesellen sich noch weitere 323.000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit, wobei unter anderem Reise- und Übernachtungskosten der geladenen Gäste, Büro- und Telekommunikationskosten von der Bundesregierung übernommen werden. Insgesamt zahlt die Bundesregierung – und damit die Allgemeinheit – also rund 843.000 Euro für das Treffen der KriegsvorbereiterInnen. Nicht eingerechnet sind die Kosten für den riesigen Polizeieinsatz, der gegen KriegsgegnerInnen läuft, wenn diese gegen die Kriegskonferenz protestieren.

Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Kriegsprofiteure, Maulkorb für KriegsgegnerInnen

Die Herrschenden geben das Geld mit vollen Händen aus, um den Protest gegen die Kriegskonferenz möglichst stark zu behindern oder gleich ganz zu verhindern. 2002, nachdem erstmals bundesweit zu Protesten gegen die Kriegskonferenz mobilisiert wurde, verhängten die Behörden ein totales Demonstrationsverbot für die Stadt Münschen, damit sich die Kriegselite ungestört treffen kann. Doch trotz Verbot und heftiger Repression ließen sich fast 10.000 Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nehmen. 849 von ihnen wurden festgenommen. Über die Hälfte der  Festgenommenen war unter 21 Jahre alt. Fast allen wurden nur Verstöße gegen das Versammlungsrecht, nahezu alles Ordnungswidrigkeiten, vorgeworfen. Trotzdem wurden Hunderte über Jahre hinweg polizeilich erfasst. Der bayrische Datenschutzbeauftragte stellte in seinem Tätigkeitsbericht für 2002 fest, dass die Speicherungen den „eigenen Speicherungsrichtlinien der Polizei“ widersprachen. Doch die Verbots- und Kriminalisierungsstrategie des bayrischen Innenministeriums schien nicht zu fruchten. Im nächsten Jahr demonstrierten über 25.000 Menschen gegen die Kriegstagung, während gleichzeitig im Bayrischen Hof die US-VertreterInnen ihre Kriegsstrategie für einen Überfall auf den Irak anpreisen konnte. In den folgenden Jahren gewann der Protest zwar zunehmend an Kontinuität, doch demonstrierten nie wieder so viele gegen die Kriegskonferenz wie 2003. Behörden und Polizei setzten ihre Schikanen unvermindert fort. Durch regelmäßige Übergriffe während der Demonstrationen festigte die bayrische Polizei-Sondereinheit ihren Ruf als gezielt provozierende Schlägerbande. Sicher hat dies bei einigen Jugendlichen wunschgemäß dazu geführt hat, dass diese, aus Angst vor Repression, in Bayern nicht mehr ihr Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen. Aber andererseits haben seit 2002 Tausende von Jugendlichen während der Proteste erfahren, dass der nette Polizist, der Recht und Ordnung schützt, in Wahrheit nicht existiert. Dass der Staat bereit ist, Protest mit Gewalt zu unterdrücken und DemonstrantInnen, die illegal von Polizisten verprügelt wurden im nachhinein noch als Gewalttäter diffamiert. Dass, wer protestiert, registriert wird – und vor allem – dass sich der Protest gegen Kriegsvorbereitung dennoch so nicht verhindern lässt.

Der türkische Ministerpräsident – ein Bote des Friedens?

Trotz in letzter Zeit aufgekommener Gerüchte um einen Umzug der Konferenz nach Berlin, gehen KriegsgegnerInnen davon aus, dass sich die Kriegselite weiter in München treffen wird. Dieses Jahr steht die Konferenz unter dem Motto „Eine Welt in Unordnung – Veränderte Machtverhältnisse, fehlende Strategien?“. Eröffnet wird die Konferenz ausgerechnet vom Ministerpräsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan. Warum der Veranstalter der Kriegskonferenz, Horst Teltschik, gerade den Chef der türkischen Regierung ausgewählt hat, um die Eröffnungsrede zu halten, kann nur spekuliert werden. Vielleicht weil der türkische Staat konsequent nicht nur Kriegshetze gegen „äußere Feinde“, sondern auch gegen türkische Staatsangehörige betreibt, die den türkischen Militarismus kritisieren? Aber vielleicht auch, weil er mit der Inhaftierung türkischer Soldaten, die die Gefangennahme durch die kurdische Guerilla PKK überlebt hatten, klargestellt hat, dass ein türkischer Soldat sich durch fehlenden Selbsterhaltungstrieb auszeichnen sollte, also so beschaffen sein muss, wie ein Soldat nach Wunsch der Kriegselite beschaffen sein soll? Vielleicht hängt, so mutmaßen Teile der Anti-Kriegsbewegung, der wahre Grund, warum der türkische Premier geladen ist, vielmehr mit dem nach wie vor drohenden Angriffskrieg auf den Iran und/oder Syrien zusammen. Die Angriffe der türkischen Armee auf Stützpunkte der PKK in Nordkurdistan, so behaupten einige ExpertInnen, basieren auf Geheimdienst- und Aufkärungsarbeit der USA. Nun könnten die USA das gleiche in ähnlicher Form gegen den Iran anwenden wollen. In Südkurdistan, also im Nordirak, sei im Einverständnis mit der kurdischen Regionalregierung und der Türkei an der Grenze zum Iran ein strategischer Militärstützpunkt eingerichtet worden, auf dem Experten aus den USA und aus Israel stationiert sind und von dem aus der Iran anvisiert werde.
Die Türkei unterstütze den Aufbau des mit modernsten Satelliten- und Radarsystemen ausgestatteten Stützpunktes. Das für den Stützpunkt notwendige Material werde durch die Türkei transportiert.
Welche Theorie die richtige ist, kann schwer überprüft werden. Die Theorie, dass die Anwesenheit des türkischen Regierungschefs viele in Deutschland lebende TürkInnen und KurdInnen dazu veranlassen könnte, in München ihren Protest gegen die türkische Kriegspolitik öffentlichkeitswirksam auszudrücken, erscheint jedoch sehr wahrscheinlich.

„Friedensplakette“ für alle Nato-Besatzer

Für besondere Empörung unter KriegsgegnerInnen sorgt aber nicht die Anwesenheit Erdogans. Als zynisch und geschmacklos kann man es nur bezeichnen, dass in diesem Jahr der Kriegskonferenz-Leiter Horst Teltschik eine „Friedensplakette“ an einen kanadischen Soldaten verleihen will, und zwar stellvertretend für „alle Soldaten, die im Rahmen der NATO international Friedensdienst leisten“. Erfunden hatte die „Friedensplakette“ Horst Teltschik selbst, um das Image der Kriegskonferenz aufzubessern. Laut Eigenanspruch soll die Plakette Persönlichkeiten verliehen werden, die sich durch besondere Friedensinitiativen auszeichnen. In München wird damit letztendlich nur ein vorläufiger Gipfel der Friedensheuchelei erreicht. Zu behaupten, dass ausgerechnet die imperialistischen Horden der Nato-Staaten, die die Bevölkerung in den überfallenen und besetzten Ländern terrorisieren, tausende ZivilistInnen töten, die Überlebenden in Hunger, Elend und Chaos stürzen, sich durch „besondere Friedensinitiativen auszeichnen“ sollen, ist schon dreist. Wer George Orwells Buch 1984 kennt, fühlt sich unweigerlich an den ersten Grundsatz der im Buch herrschenden Partei erinnert: Krieg ist Frieden.
Wir stellen uns quer!
Unter diesem Motto ruft das Münchner Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz dazu auf, sich am Samstag Abend der Kriegselite, die in ihren Limousinen von der Militärtagung im Bayrischen Hof zum Gala-Dinner in den Kaisersaal der Münchner Residenz fährt, in den Weg zu stellen. Deshalb soll die Großdemonstration am Samstag, den 9. Februar auch relativ kurz sein. Angemeldet als Route ist der Weg vom  Marienplatz zum Odeonsplatz. In einem sogenannten Kooperationsgespräch hat das Kreisverwaltungsreferat die geplante Demoroute mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt. Laut der Behörde sei die Residenzstraße, der letzte Abschnitt der Route vor dem Odeonsplatz, zu eng, weil dort die Fahrbahnbreite nur 3,90 m betragen würde. Eine vorgeschlagene Ersatzroute wurde vom Münchner Aktionsbündnis abgelehnt, weil sie dem  Demonstrationsziel, zur richtigen Zeit vor der Residenz zu sein, widersprach. Wie es nun weitergeht, ist zu Redaktionsschluß noch unklar. Das Aktionsbündnis rechnet mit einem Verbot der geplanten Demoroute und überlegt, wie damit umzugehen wäre.

War is over, if you want it!

Die Proteste gegen die Kriegskonferenz in München sind die größten und wahrnehmbarsten, regelmäßig in der BRD stattfindenden Proteste gegen die Kriegspolitik der herrschenden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Demonstrationen der Friedens- und Antikriegsbewegung ist hier die radikale Linke wahrnehmbar, sowohl optisch, als auch inhaltlich. Die Konferenz selbst ist eine wichtige Konferenz für die Kriegselite. Sie ist kein Zirkus für die Öffentlichkeit, wie z.B. der G8-Gipfel, sondern die Kriegsprofiteure wollen sich ungestört austauschen und sind nicht primär darauf aus, eine Propaganda-Show abzuziehen. Insofern wäre es, wenn sich Gerüchte um eine Verlegung der Konferenz nach Berlin bewahrheiten, ein Riesenerfolg für alle, die den Protest gegen die Konferenz in München mitgetragen haben. Der bayrische Staat wäre bloßgestellt, denn trotz des ungeheueren Repressionsaufwandes hätte die Konferenz nicht in München gehalten werden können. Doch das ist Zukunftsmusik. Fakt ist, dass München im Februar ein sehr guter Ort ist, um gegen den imperialistischen Krieg, ja die ganz imperialistische Weltordnung aktiv zu sein. Wichtig bleibt, dass sich KriegsgegnerInnen nicht von den Herrschenden vom Protest abhalten lassen, sondern fortfahren, die Kriegstreiber Schritt für Schritt zu isolieren und zu vertreiben. Dass der Protest weiter mit Inhalten gefüllt werden muss, wie das so vorbildlich in den letzten Jahren geschehen ist, ist selbstverständlich.

Quelle: barricada – Februar 2008