aus der barricada 10/06
Solidarität gefragt:
Repressionswelle gegen Linke in der Türkei
Staatsterrorismus ist in der Türkei nichts neues. Die Repression, mit der die türkischen Behörden seit Anfang September fortschrittliche Menschen und Organisationen überziehen, ist allerdings die dreisteste der letzten Jahre und stellt eine neue Stufe der Kriminalisierung legaler Aktivitäten dar.
In zwei Verhaftungswellen wurden bisher über 100 JournalistInnen, GewerkschafterInnen, FrauenrechtlerInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und andere systemkritische Menschen festgenommen.
Teilweise wurden nicht einmal Gründe für die Haftbefehle angegeben, bei einigen anderen waren die Vorwände schlicht lächerlich, etwa, sie hätten während der diesjährigen 1.Mai-Demonstration verbotene Slogans gerufen.
Von der Aktion betroffen sind durchweg legale Einrichtungen, Organisationen und Medien.
So überfielen Polizeitrupps unter anderem auch die Räumlichkeiten der sozialistischen Wochenzeitung ATILIM, der Sozialistischen Plattform der Unterdrückten (ESP), des freien Radiosenders Özgür Radyo, einer Kulturzeitschrift, sowie die Büros der Gewerkschaften Limter-Is und Tekstil-Sen, das Kulturzentrum Beksav und die Räume verschiedener Frauenvereine, Jugendorganisationen und Stadtteilverschönerungsvereine.
Grundlage der breit angelegten Kriminalisierung und Repression ist das neue „Antiterrorgesetz“ TMY.
Die Verhafteten sind nämlich nicht nur verdächtig, gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu sein und sogar ihre Stadtteile verschönern zu wollen, sondern der türkische Repressionsapparat sagt ihnen auch Nähe zur in der Türkei verbotenen MLKP (Marxististisch Leninistische Kommunistische Partei) nach.
So sollen also fortschrittliche Aktivitäten, sozialistische Organisierung und gewerkschaftliche Betätigung verboten und verfolgt werden, indem staatlicherseits verzweigte „Terrororganisationen“ konstruiert werden. Nach Bedarf kann jeder „Teil dieser Terrororganisationen“, vom Jugendclub bis zur Friedensinitiative, zum Ziel erklärt und verfolgt werden.
Solch eine Möglichkeit ist der Traum der Herrschenden – nicht nur in der Türkei.
Auch den USA und der Europäischen Union dient der „Kampf gegen Terrorismus“ der Zerschlagung von unliebsamen Bewegungen und einer Gestaltung der Welt nach den Bedürfnissen und Interessen der Herrschenden. Was wir aktuell in der Türkei beobachten ist das, was auch die Linke in Europa in Zukunft erwartet – wenn die Pläne der Herrschenden nicht gestoppt werden.
In der Türkei gibt es trotz gewohnt mangelhafter Berichterstattung der bürgerlichen Medien bereits erfreuliche Reaktionen auf die aktuelle Entwicklung. Neben vielfältigen Protestkundgebungen und Demos haben sich Kulturschaffende, darunter Haluk Gerger, einer der bedeutendsten Intellektuellen der Türkei, zu praktischer Solidarität bereit erklärt: Sie arbeiten vorübergehend an den als „terroristisch“ gebrandmarkten Medien mit.
Auch internationale Solidarität bleibt dringend notwendig.
Schreibt Faxe und Protestmails an:
Innenmisister Abdullakadir Aksu, E-Mail: aaksu@icisleri.gov.tr
Premierminister Tayip Erdogan, E-Mail: bimer@basbakanlik.gov.tr
Antiterror-Verwaltungsbüro Tel:0090 212 636 12 15 Fax: 0090 212 636 28 71
Solidaritätserklärungen an:
Sozialistische Plattform der Unterdrückten (ESP)
E-Mail: istesp@hotmail.com
Wochenzeitung Atilim
Tel-Fax: 0090 216 389 68 00
Özgür Radyo
Tel: 0090 216 330 75 91-92-93
Fax: 0090 216 330 75 94
E- Mail: özgürradyo@özgürradyo.com
Vereinigung der werktätigen Frauen (EKD)
E-Mail: ist.ekd@hotmail.com
Tel: 00 90 212 462 98 28
Sozialistischer Jugendverein (SGD)
E- Mail: ozgurgenclik05@hotmail.com
Stiftung für Wissenschaft, Literatur und Kunst (BEKSAV)
E-Mail: beksav@tnn.net
Metall-Gewerkschaft Limter-Is:
E-Mail: limteris@hotmail.com
Textil-Gewerkschaft Textil- Sen
E- Mail:tekstil-sen@mynet.com
Informationen und Erklärungen zum Thema von Seiten der MLKP:
www.mlkp.info
(auch auf deutsch)