„Dummdeutsche“ Parolen im „Reichswald“

Immer freitags treffen sich Neonazis in einer griechischen Gaststätte — Widerstand wächst

Gegen die Gaststätte „Reichswald“ in Zerzabelshof, seit Monaten Treffpunkt von Neonazis, hat sich ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppierungen gebildet. Mit dem Ziel, den Wirt zum Zusperren zu zwingen. Auch dem SPD-Ortsverein und dem Vorstadtverein Zabo sind die Umtriebe im „Reichswald“ ein Dorn im Auge. Der Wirt aber? Der sitzt zwischen allen Stühlen und bangt um seine Existenz.

Mit vielen Gästen scheint der Inhaber der Gaststätte selbst an einem warmen Sommerabend nicht zu rechnen. Auf den Plastiktischen und -stühlen im von Birken beschatteten Biergarten liegt dick der Blütenstaub. Eine Speisekarte gibt es schon lang nicht mehr. Nur Currywurst mit Pommes gibt’s immer. Und die Gäste, die immer freitags kommen und den Ruf des „Reichswalds“ ruinierten. Mal ist es eine Hand voll, mal sollen es um die 20 Leute sein.

Ausgerechnet eine griechische Kneipe haben sich die Rechtsextremisten als Treffpunkt ausgesucht, die doch gern bei jeder Gelegenheit ausländerfeindliche Parolen schmettern. „Ein Mal in der Woche treffen sie sich dort“, sagt Polizeisprecher Peter Grösch. Bei schlechtem Wetter halten die Neonazis, vorwiegend Mitglieder der NPD und Sympathisanten der Partei, ihren Stammtisch im Nebenzimmer ab. „Im abgetrennten Kneipenraum wird gemeinsam in dummdeutscher Manier gesoffen, werden Informationen ausgetauscht, rassistische, faschistische Propaganda verteilt und neue Kameraden rekrutiert“, schreiben Antifaschisten im Internet.

Nachwuchsarbeit mit Bier und Weizen. Im Biergarten sind auch Mädchen dabei, die sich groß fühlen, weil sie mitspielen dürfen im Kreis der Kerle mit Glatze und Springerstiefeln. Einige der männlichen Gäste sind ebenfalls sehr jung; Jungs, keine Männer. Vielleicht 18 Jahre sind sie alt und tragen T-Shirts, die an ihrer Gesinnung oder der der Älteren in der Runde keinen Zweifel lassen: „Unser Sozialismus ist national!“. Oder „Arbeit adelt“ in Anlehnung an „Arbeit macht frei“, das die Nationalsozialisten über die Eingänge der Konzentrationslager schrieben, in denen sie Millionen Menschen ermordeten.

„Die Gäste sind ein Problem

Über das, was im „Reichswald“ vorgeht, wissen die bürgerlichen Gruppen, die sich dagegen wehren, relativ wenig. Nur: „Die Gäste sind ein Problem. Aber es ist eine schwierige Frage, wie man damit umgehen soll“, sagt Ulrich Blaschke, SPD-Vorsitzender in Zabo. Ob sich die Sozialdemokraten am neuen Bündnis gegen den Treff beteiligen, müssen die Mitglieder noch entscheiden. Bei der Versammlung am Dienstagabend soll das Thema überhaupt erst zur Sprache kommen.

Ulrike Hölldobler-Schäfer, CSU-Stadträtin und Vorsitzende des Vorstadtvereins Zabo, will mit dem Bündnis, das aus linken Gruppen besteht, „nicht in Verbindung gebracht werden“. Sie wählt andere Wege, wandte sich an Stadtrechtsdirektorium und Ordnungsamt, ob es zum Beispiel eine gaststättenrechtliche Handhabe gebe. Die Antwort: Gibt es nicht, weil dem Wirt selbst nichts vorzuwerfen ist.

Der wirkt zerknirscht. Eigentlich will er nichts weiter, als Wirt einer griechischen Speisegaststätte sein. Über seine Gäste sagt er, „sie trinken und bezahlen“. Sie sind beinahe seine einzige Einnahmequelle. Er braucht jeden Cent, möchte aber lieber heute als morgen eine neue Gaststätte pachten. Bis jetzt hat er nichts gefunden.

„Im Lokal selbst ist noch nichts passiert“, sagt die Polizei. Wenn die Neonazis Krawall machen, dann davor, wenn sie auf linke Demonstranten stoßen. Ende April kam es zu einer Schlägerei. Die Polizei musste eingreifen und nahm einen einschlägig vorbestraften Neonazi fest.

SABINE STOLL
30.5.2005 0:00 MEZ

Quelle: Nürnberg Nachrichten